VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.05.2007 - 13 S 706/06 - asyl.net: M11539
https://www.asyl.net/rsdb/M11539
Leitsatz:

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach erfolglosem Asylverfahren gem. § 25 Abs. 5 AufenthG ohne Visumsverfahren ist nicht nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, abgelehnte Asylbewerber, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Visum nach Einreise, Visumspflicht, Befreiung, Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 10 Abs. 3; AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach erfolglosem Asylverfahren gem. § 25 Abs. 5 AufenthG ohne Visumsverfahren ist nicht nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige, insbesondere fristgerecht gestellte und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist ausreichend dargelegt und liegt auch vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und eines Ausweisersatzes abgewiesen, weil die hier allein in Frage kommende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG bereits an § 10 Abs. 3 AufenthG scheitere. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht die Sperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG herangezogen, weil das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylablehnung als offensichtlich unbegründet nicht auf § 30 Abs. 3 AsylVfG, sondern auf § 30 Abs. 1 AsylVfG gestützt habe. Es hat jedoch aus dem Normzweck des § 10 Abs. 3 AufenthG abgeleitet, dass nach einem erfolglosen Asylverfahren nicht beliebig ein Aufenthaltstitel für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden könne, sondern sich die Frage nach der Visumspflicht neu stelle. Abgelehnte Asylbewerber müssten ein Visum für den nun angestrebten Aufenthaltszweck einholen, es sei denn, der begehrte Titel könne ausnahmsweise im Inland eingeholt werden. Da der Kläger keinen gesetzlichen Anspruch geltend mache (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG), scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 3 AufenthG aus, und zwar unabhängig davon, ob hier nach § 5 Abs. 3 AufenthG auf die Einhaltung des Visumszwangs verzichtet werden könne.

In der Antragsbegründung legt der Kläger zutreffend dar, dass das Verwaltungsgericht in seinem Fall der Vorschrift des § 10 Abs. 3 AufenthG kein Verbot für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätte entnehmen dürfen, weil dessen Satz 1 mit der (Rechtsgrund-)Verweisung auf den Abschnitt 5 des Gesetzes die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ausdrücklich zulasse und dessen Satz 2 und 3 der Erteilung ebenfalls nicht entgegenstünden.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich im gegenwärtigen Verfahrensstand auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere steht die Visumpflicht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zwingend entgegen, weil hiervon im Ermessenswege abgesehen werden kann, wenn es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Auch kann derzeit - zumal der Kläger einen Hilfsbeweisantrag gestellt hat - entgegen der Auffassung der Beklagten nicht angenommen werden, dass dieser das Ausreisehindernis der Passlosigkeit selbst zu vertreten habe, weil er sich nicht ausreichend um einen Nationalpass bemüht habe. Und schließlich ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.6.1997 (BVerwGE 105, 28) entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht, dass der Kläger für den nun angestrebten Aufenthaltserlaubniszweck ein Visum einholen müsse. Das Bundesverwaltungsgericht hat dort - noch zu den entsprechenden Vorgängervorschriften des Ausländergesetzes und der Durchführungsverordnung hierzu - entschieden, dass Ausländer, die als Asylbewerber ohne Visum eingereist sind, deren Asylantrag aber erfolglos geblieben ist, eine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung im Sichtvermerkverfahren einholen müssen, wenn sie nicht aus anderen Gründen davon befreit sind oder die Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise einholen dürfen; § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG enthält eine solche Befreiung von der Visumpflicht.