Ausreisepflichtigen Ausländern ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Freiwilligkeitserklärung gegenüber der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaats abzugeben; die Verweigerung der Freiwilligkeitserklärung rechtfertigt die Anwendung von § 1 a Nr. 2 AsylbLG.
Ausreisepflichtigen Ausländern ist es grundsätzlich zuzumuten, eine Freiwilligkeitserklärung gegenüber der Auslandsvertretung ihres Herkunftsstaats abzugeben; die Verweigerung der Freiwilligkeitserklärung rechtfertigt die Anwendung von § 1 a Nr. 2 AsylbLG.
(Leitsatz der Redaktion)
Das Sozialgericht Dessau hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zur vorläufigen Gewährung von ungekürzten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG zu verpflichten.
Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Insoweit bedarf es keiner weitergehenden individualisierten Darlegung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin. Denn im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 1 a AsylbLG wird vorliegend der zusätzliche Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht mehr erbracht.
Abweichend von § 3 AsylbLG dürfen nur dann Leistungen im eingeschränkten Umfang des § 1 a AsylbLG erbracht werden, wenn der Leistungsberechtigte zu dem in § 1 a Nr. 1 oder 2 AsylbLG genannten Personenkreis gehört. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2006 (Az.: L 8 B 24/06 AY ER) ausgeführt hat, ist aufgrund der weitgehenden, auch grundrechtsrelevanten Einschränkungen auf der Rechtsfolgenseite § 1 a AsylbLG restriktiv auszulegen (vgl. Birk in LPK-SGB XII, § 1 a AsylbLG RN 1; Hohm in GK-AsylbLG, § 1 a RN 18 f, jeweils m.w.N.).
Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG ist, dass gegen einen geduldeten oder vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer oder dessen Angehörige aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Möglichkeit solche Maßnahmen zu vollziehen, muss daher zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen sein. Die fehlende Möglichkeit zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen muss auf Gründen beruhen, die der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. Demzufolge darf es keine anderen Gründe geben, die die Ausreise auch dann unmöglich machten, wenn der vom Leistungsberechtigten zu vertretende Grund hinweggedacht würde. Auch müssen die Gründe durch ein dem Leistungsberechtigten zurechenbares Tun oder Unterlassen begründet sein. Ein Unterlassen hat der Leistungsberechtigte zu vertreten, wenn ihn eine gesetzliche Verpflichtung zu einer bestimmten Handlung traf, dies für ihn hinreichend konkret erkennbar war, die Erfüllung dieser Verpflichtung geeignet und notwendig war, die Aufenthaltsdauer zu verkürzen und die Erfüllung dieser Verpflichtung dem Leistungsberechtigten zumutbar war. Da mit der Bewilligung nach § 1 a AsylbLG die Rechte des Leistungsberechtigten gegenüber der Regelbewilligung nach § 3 AsylbLG verkürzt werden, ist er vor der Entscheidung anzuhören (§ 28 VwVfG). Darüber hinaus ist spätestens im Rahmen der Anhörung vom Leistungsberechtigten eine konkrete Handlung oder Unterlassung zu verlangen und ihm hierfür eine angemessene Frist zu setzen (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 21. Dezember 1998 - 2b 2440/98; Hohm in GK - AsylbLG § 1 a RN 107). Da durch die Gewährung verminderter Leistungen auf das Verhalten dieses Personenkreises mit dem Ziel eingewirkt werden soll, an der Beseitigung der von ihm zu vertretenden Gründe für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen mitzuwirken, ist es erforderlich, dass die Bewilligung von Leistungen auf Grundlage des § 1 a Nr. 2 AsylbLG jedenfalls im Falle unterlassener Mitwirkungshandlungen stets mit der Aufforderung der Vornahme konkreter Handlungen zu verbinden ist und in der Folge regelmäßig eine Überprüfung des Sachverhalts zu erfolgen hat (B. v. 18. Dezember 2006, a.a.O.).
Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen ist vorliegend genügt.
Die Antragstellerin gehört zum Personenkreis des § 1 a Nr. 2 AsylbLG, denn sie ist i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerin und gegen sie können aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden.
Die Antragstellerin ist nach rechtskräftiger Ablehnung ihres Asylbegehrens unanfechtbar und vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Die Abschiebung in ihr Heimatland Mali ist nicht möglich, weil die Antragstellerin nicht über gültige Personalpapiere verfügt. Die Gründe hierfür hat allein die Antragstellerin zu vertreten. Die Antragstellerin hat zwar in der Vergangenheit - mindestens viermal - bei der für sie zuständigen Botschaft von Mali in Berlin vorgesprochen, mit dem Ziel, Passersatzpapiere zu erhalten, wie dies von der zuständigen Ausländerbehörde gewünscht wurde. Sie hat sich indes bei jeder Vorsprache geweigert, die von den zuständigen Behörden ihres Heimatlandes (Botschaft) verlangte Erklärung einer freiwilligen Rückkehr abzugeben. Dabei war der Antragstellerin bekannt, dass die Ausstellung von Ausreisedokumenten bei Unterlassen der Abgabe der Erklärung von den malischen Behörden verweigert werden würde mit der Folge, dass eine Abschiebung nach Mali weiterhin nicht möglich sein würde.
Die Antragstellerin hat dieses Verhalten auch zu vertreten. Insoweit verkennt sie, dass sie als abgelehnte Asylbewerberin nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) die gesetzliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für eine Ausreise notwendigen Dokumente trifft. Weiterhin ergibt sich ihre Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Pass- oder Passersatzpapieren aus den hier anzuwendenden §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 1 des zum ersten Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Dazu gehört grundsätzlich auch die hier verlangte Freiwilligkeitserklärung, von deren Abgabe die zuständigen Behörden des Staates Mali die Ausstellung von Passersatzpapieren abhängig machen. Diese umfassende Mitwirkungsverpflichtung findet ihre Grenze in der Einhaltung bundesdeutschen Rechts und ihr Korrektiv in der Zumutbarkeit für den Einzelnen, das Verlangte beizubringen.
Die sog. Ehrenerklärung entspricht deutschem Recht, denn sie spiegelt die Wertungen des geltenden Aufenthaltsrechts wieder: Die in Satz 1 der Ehrenerklärung enthaltene schriftliche Erklärung zur Staatsangehörigkeit ist Voraussetzung für die Ausstellung von Personalpapieren. Die ebenfalls in Satz 1 enthaltene Erklärung der freiwilligen Rückkehr entspricht der rechtlichen Regelung des § 50 AufenthG, nach der ein Ausländer, der keinen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel besitzt, verpflichtet ist, die Bundesrepublik Deutschland - grundsätzlich freiwillig - zu verlassen. Dies ist der Maßstab zur Bewertung der Erklärung der Freiwilligkeit der Rückkehr.
Anders gewendet: Die Antragstellerin ist gesetzlich verpflichtet, freiwillig ausreisen zu wollen. Durch die Erklärung über die Freiwilligkeit der Ausreise wird von der Antragstellerin lediglich die Bestätigung verlangt, dass sie bereit ist, den Regelungen des deutschen Ausländerrechts Folge zu leisten.
Die im zweiten Satz der sog. Ehrenerklärung enthaltene Versicherung, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, es sei denn, es wäre nach deutschem Ausländerrecht erlaubt, entspricht ebenfalls den Regelungen des AufenthG.
Wertet man den Gesamttext der sog. Ehrenerklärung im Zusammenhang, wird deutlich, dass die Botschaft des Staates Mali von der Antragstellerin nicht mehr verlangt, als die Bestätigung der Bereitschaft, den nach deutschem Aufenthaltsrecht bestehenden Pflichten nachkommen zu wollen. Gründe für einen Verstoß dieser Forderung gegen Völkerrecht, auf den sich die Antragstellerin berufen könnte, bestehen nicht. Sie ist daher gemäß § 49 Abs. 1 AufenthG zur Abgabe der sog. Ehrenerklärung verpflichtet. Die Verweigerung der Abgabe der Erklärung ist ihr vorwerfbar.
Der Senat folgt aus den dargelegten Gründen nicht der im Zusammenhang mit der Verhängung von Abschiebehaft in Teilen der Rechtsprechung vertretenen, nicht näher begründeten Ansicht, dem Gesetz sei schon grundsätzlich keine Pflicht zur Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung zu entnehmen (so: OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Juli 1999, Az.: 20 W 306-99, NVwZ-Beil. 1999 S. 8; OLG Köln, Beschluss v. 10. Februar 2006, Az.: 16 Wx 238/05, NVwZ-RR 2007 S. 133). Aus denselben Gründen ist auch der vom Prozessbevollmächtigen der Antragstellerin zitierten Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg im Urteil vom 16. Januar 2007 (Az.: 2 St OLG Ss 242/06), nach der die Abgabe einer Ehrenerklärung nicht zumutbar sei, nicht zu zustimmen.
Die im Urteil weiter geäußerte Auffassung, generell sei das Ansinnen, dass sich jemand zur Erreichung eines bestimmten Zwecks der Lüge bedienen solle, nicht zumutbar, teilt der Senat. Jedoch verlangt das Gesetz keine Lüge. Das Gesetz verlangt die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise. Nur diese soll erklärt werden. Wenn hierzu die Bereitschaft nicht besteht, muss die Erklärung nicht unterschrieben werden. Dann ist aber die fehlende Erklärung kausal i.S.v. § 1 a AsylbLG für die Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung. Erst danach stellt sich die Frage, ob das Verhalten auch vorwerfbar ist, oder ob im Einzelfall gewichtige Gründe (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a.a.O.) bestehen, den fehlenden Willen zur freiwilligen Ausreise im Rahmen des § 1 a Nr. 2 AsylbLG zu entschuldigen. Der Senat folgt damit der überwiegenden Rechtsprechung zu dieser Problematik (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 2. Februar 2007, Az.: L 20 B 65/06 AY ER, SAR 2007, S. 34; OVG Niedersachsen, Urteil v. 11. Dezember 2002, Az. 4 LB 471/02, SAR 2003 S. 55; VG Hamburg, Urteil v. 20. Oktober 2006, Az.: 10 K 6115/04 zit. n. juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 5. April 2007, Az.: 7 A 10108/07, 7 E 11594/06, NVwZ-RR 2007, S. 494; VG Ansbach, Beschluss v. 29. Mai 2006, Az.: An 19 E 06.01710 zit. n. juris).