VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27.08.2007 - 7 L 777/07 - asyl.net: M11601
https://www.asyl.net/rsdb/M11601
Leitsatz:

Eine unter einem falschen Namen erlangte Fahrerlaubnis ist nicht rechtswidrig, wenn der Name im deutschen Rechtsverkehr durchgängig benutzt wurde und daher die Identifizierung des Inhabers möglich ist; stellt sich der Name nachträglich als falsch heraus, ist die Umschreibung der Fahrerlaubnis möglich.

 

Schlagwörter: D (A), Fahrerlaubnis, Identitätstäuschung, Falschangaben, Rücknahme, Umschreibung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: StVG § 2 Abs. 6; FeV § 21 Abs. 1 S. 3 Nr. 1; VwVfG § 48; FeV § 25 Abs. 2; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Eine unter einem falschen Namen erlangte Fahrerlaubnis ist nicht rechtswidrig, wenn der Name im deutschen Rechtsverkehr durchgängig benutzt wurde und daher die Identifizierung des Inhabers möglich ist; stellt sich der Name nachträglich als falsch heraus, ist die Umschreibung der Fahrerlaubnis möglich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2007 wiederherzustellen bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen, hat Erfolg. Er ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Insbesondere kann ihm das Rechtsschutzinteresse nicht mit der Begründung abgesprochen werden, die Rücknahme der dem Antragsteller unter dem Namen ... am 23. November 1996 erteilten Fahrerlaubnis entfalte ihm gegenüber ohnehin keine Rechtswirkung, weil die Fahrerlaubnis nicht ihm erteilt worden sei, sondern nur dem (nicht existierenden) Herrn T2., so aber für einen ähnlich gelagerten Fall VG Arnsberg, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 6 L 822/05 -, nrwe.de; VG Münster, Beschluss vom 29. August 2006 - 10 L 487/06.

Die zu vorstehendem Beschluss des VG Arnsberg ergangene Beschwerdeentscheidung des OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 16 B 1940/05 -, nrwe.de, versteht die Kammer dahingehend, dass eine unter falschem Namen erlangte Fahrerlaubnis wegen der Identifizierungsfunktion des Namens (§ 2 Abs. 6 StVG und § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 FeV) ins Leere geht, wenn ohne eine sichere Identifizierung eine Zuordnung zu der natürlichen Person nicht möglich ist.

Ist die Identität des Fahrerlaubnisinhabers im Hinblick auf verkehrsrelevantes Geschehen dagegen trotz Änderung der Personalien sicher, erlaubt § 2 Abs. 6 StVG nach Wortlaut wie Sinn und Zweck nicht die Annahme einer ins Leere gehenden (und auch nicht die einer rechtswidrigen) Fahrerlaubnis. Gem. § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 StVG hat der Bewerber bei der Erteilung der Fahrerlaubnis grundsätzlich seine Personendaten mitzuteilen und nachzuweisen. Generell hat dieser Nachweis gem. § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FeV durch einen amtlichen Nachweis über Ort und Tag der Geburt zu erfolgen. Zweck dieser Normen ist es, bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis verlässlich prüfen zu können, ob ein Bewerber einen Führerschein ausgehändigt bekommen kann. Es ist dabei zu prüfen, ob diesem beispielsweise unter anderer Identität die Fahrerlaubnis bereits entzogen worden ist und die Sperrwirkung eines Fahrerlaubnisentzugs noch anhält oder ob unter einer Alias-Identität Ungeeignetheitsmerkmale bestehen, die einer Fahrerlaubniserteilung entgegenstehen würden (vgl. VG Weimar, Beschluss vom 15. März 2007 - 2 E 267/07 -).

Dieser Schutzzweck kann hinreichend gewahrt sein, auch wenn sich der zunächst im Rechtsverkehr in der BRD durchgängig benutzte Name nachträglich als falsch herausstellt und korrigiert wird. In diesen Fällen erlaubt es die Vorschrift nicht, den Fahrerlaubnisinhaber anders zu behandeln als bei einer Namensänderung etwa durch Heirat. Sie bietet keine Rechtsgrundlage für die Fiktion, die Fahrerlaubnis sei einem "nicht existierenden Herrn X" erteilt worden und der erbrachte Nachweis der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen sei gegenstandslos. Ein anderes Verständnis der Vorschrift würde zu unerträglichen Folgen in solchen Fällen führen, in enen Fahrerlaubnisinhaber unter ihrem früheren Namen punktbewehrte Verkehrsverstöße begangen, schwere Drogen- oder Alkoholprobleme gehabt oder sonst Zweifel an ihrer Geeignetheit geweckt haben. Denn diese Tatsachen wären nach Bekanntwerden der Personalienänderung sonst konsequenter Weise ebenfalls unbeachtlich, weil von einer "nicht existierenden Person" begangen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die dem Antragsteller unter den Personalien "..., geb. am ... in ..." am 23. November 1996 erteilte Fahrerlaubnis nicht gegenstandslos, weil eine – für das Eilverfahren hinreichend sichere – eindeutige Identifizierung und damit die Zuordnung zu der natürlichen Person möglich ist.

Der Antrag ist auch begründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragsgegners aus. Es spricht bei der gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass die auf § 48 VwVfG NRW gestützte Rücknahme der Fahrerlaubnis rechtswidrig ist, weil es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung der Rechtswidrigkeit der Fahrerlaubnis fehlt. Auf die vorherigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist die verkehrsrechtliche Identität des Antragstellers nachgewiesen; nötig wird lediglich die Umschreibung des Führerscheins als Dokument gem. § 25 Abs. 2 FeV, die der Antragsteller bei dem Antragsgegner bereits beantragt hat.