VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 06.08.2007 - W 7 K 06.1075 - asyl.net: M11669
https://www.asyl.net/rsdb/M11669
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, zwingende Ausweisung, Drogendelikte, Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Straftat, Straftaten von erheblicher Bedeutung, Sperrwirkung, Wirkungen der Ausweisung, Ausreisehindernis, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Todesstrafe, Verschulden, Vertretenmüssen
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1; AufenthG § 53 Nr. 2; AufenthG § 25 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 5; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 25 Abs. 5
Auszüge:

Keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen Betäubungsmitteldelikt ohne Strafaussetzung zur Bewährung; keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, wenn das Ausreisehindernis (hier: Gefahr der Todesstrafe) auf einer Straftat des Ausländers beruht.

(Leitsätze der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die vom Landratsamt Main-Spessart im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung ist rechtmäßig. Die Behörde hat zutreffend dargelegt, dass beim Kläger die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung sowohl nach § 53 Nr. 1 als auch Nr. 2 AufenthG vorliegen und ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG beim Kläger nicht gegeben ist.

Eine Aufenthaltserlaubnis ist auch nicht nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ("soll") zu erteilen, obwohl beim Kläger rechtskräftig die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Folge der zu befürchtenden Bestrafung des Klägers im Iran mit der Todesstrafe wegen Betäubungsmittelvergehens festgestellt wurde. Es liegt – worauf die Behörde zutreffend hinweist – der Ausschlusstatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe b AufenthG vor. Es ist nämlich nicht nur die Annahme gerechtfertigt, sondern es steht rechtskräftig fest, dass der Kläger Straftaten von "erheblicher Bedeutung" begangen hat. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll nachprüfbar ist. Es muss sich um Straftaten von erheblicher Bedeutung handeln, die den Rechtsfrieden empfindlich stören oder geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Besonders bedeutsam sind dabei die Art und Schwere der jeweiligen Tat. Die Straftat muss ein Gewicht aufweisen, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, den gesetzgeberischen Zweck der Legalisierung des Aufenthalts zurücktreten zu lassen (so GK-AufenthG, § 25, Rd.Nr. 50 unter Hinweis auf VG Stuttgart, InfAuslR 2006, 78). Maßgebend sind dabei die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Vorliegend hat der Kläger Straftaten verwirklicht, die sowohl nach § 53 Nr. 1 als auch Nr. 2 AufenthG zwingende Ausweisungsgründe darstellen. Nach der gesetzgeberischen Wertung in § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG bedeutet ein Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit, wenn er u.a. wegen eines Verbrechens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Beim Kläger ist daher von einer Gefährdung der Allgemeinheit auszugehen. Maßgeblich ist dabei nicht die vom Klägervertreter angestellte Zukunftsprognose, sondern der Umstand, dass der Kläger die zur Verurteilung führenden Straftaten begangen hat. Das erhebliche Gewicht der vom Kläger begangenen Straftaten zeigt sich auch an der gesetzlichen Wertung in § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG, wonach bei vorsätzlichen Straftaten nach dem BtMG ein zwingender Ausweisungsgrund bereits bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung vorliegt, während bei sonstigen vorsätzlichen Straftaten eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren Voraussetzung ist. Im Übrigen greift bei ihm auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ein. Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 2005 (InfAuslR 2006, 78) folgt die Kammer nicht, da insoweit in § 25 Abs. 3 AufenthG keine Ausnahmeregelung enthalten ist, wie sie § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aufweist. Aus dem Regelungszusammenhang des § 25 AufenthG ergibt sich, dass in Fällen des § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG nicht zu erteilen ist bzw. nicht erteilt werden soll, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG.

Auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Unabhängig von der Frage der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, von der die Behörde im angefochtenen Bescheid selbst nicht ausgeht, liegt jedenfalls insoweit der Ausschlusstatbestand des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG vor, da der Kläger nicht "unverschuldet" an der Ausreise gehindert ist. Das vorliegend bestehende Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG beruht auf dem Umstand, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran die Todesstrafe wegen Verstoßes gegen Betäubungsmittelvorschriften zu erwarten hätte. Zu vertreten hat ein Ausländer insoweit alle Handlungen, mit denen die freiwillige oder erzwungene Ausreise erschwert oder unmöglich gemacht wird (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 25 Rd.Nr. 107). Begeht ein Ausländer – wie der Kläger – vorsätzliche Straftaten nach dem BtMG, so hat er dieses Verhalten zu vertreten und ist daher nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert (vgl. dazu GK-AuslR 65, § 30 Rd.Nr. 115; Hailbronner, Ausländerrecht, § 25 Rd.Nr. 109).