VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 03.08.2007 - M 4 S 07.2694 - asyl.net: M11672
https://www.asyl.net/rsdb/M11672
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Grenzübertrittsbescheinigung, Ausreiseschein, Verwaltungsakt, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Regelungswirkung, Widerspruch, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fortgeltungsfiktion, Fiktionsbescheinigung, Rechtsschutzbedürfnis
Normen: BayVwVfG Art. 35; AGVwGO Art. 15 Nr. 1; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 81 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.

Zwar fehlt es im vorliegenden Fall nicht an einem anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei einem Ausreiseschein (frühere Bezeichnung: Grenzübertrittsbescheinigung) zwar lediglich um eine Bescheinigung und daher im Allgemeinen nicht um einen mit Widerspruch oder Klage angreifbaren Verwaltungsakt. Das ergibt sich auch aus der üblichen Formulierung "... ist verpflichtet, ... zu verlassen", womit angedeutet werden soll, dass der Ausreiseschein die Ausreisepflicht nicht selbst begründet und die Ausreisefrist nicht selbst bestimmt, sondern nur eine kraft Gesetzes (§ 50 AufenthG) bestehende oder durch Verwaltungsakt begründete Ausreisepflicht sowie die mit einer damit verbundenen Abschiebungsandrohung konkretisierte Ausreiseaufforderung unter Bestimmung einer Ausreisefrist (§ 59 Abs. 1 AufenthG) deklaratorisch wiedergibt. Allerdings besitzt er in Ausnahmefällen die Qualität eines Verwaltungsakts, nämlich dann, wenn ihm ein eigenständiger Regelungsgehalt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zukommt (VG München vom 18.06.2003 - M 28 K 02.4668; vom 10.11.2003 - M 28 S 03.5012). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben, weil der Ausreiseschein auch dahin ausgelegt werden kann, dass der Antragsteller mit ihm in Konkretisierung der kraft Gesetzes nach § 50 AufenthG eintretenden Rechtsfolge, dass ein (nichttürkischer) Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt, unter Bestimmung einer Ausreisefrist zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert wurde.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass gegen den als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Ausreiseschein, dem, weil ihm von der Antragsgegnerin üblicherweise nicht diese Wirkung beigelegt wird, auch keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, nicht der förmliche Rechtsbehelf des Widerspruchs zulässig ist. Denn das Widerspruchsverfahren ist für das Ausländerrecht durch Art. 15 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in der Fassung des Gesetzes vom 28. März 2000 (GVBl. S. 136) abgeschafft worden. Ist aber durch Gesetz im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO bestimmt, dass es eines Vorverfahrens im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht bedarf, fehlt es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an einem statthaften Rechtsbehelf in der Hauptsache, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden könnte, und kann nicht zur Sache entschieden werden.

Zwar ist gegen den Ausreiseschein nach der oben vertretenen Auffassung noch die Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage statthaft. Diese ist auch nicht verfristet, da der Ausreiseschein nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen wurde (vgl. § 58 Abs. 1, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Für sie bestünde im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aber kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 17. Juli 2007 eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass die gestellten Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die Rechtsfolge des § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst haben. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach § 81 Abs. 5 AufenthG ist dem Ausländer eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.