VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 24.07.2007 - AN 1 K 06.30300 - asyl.net: M11713
https://www.asyl.net/rsdb/M11713
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Konversion, Apostasie, Christen, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Wehrdienst, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Grüne Karte, yesil kart
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; RL 2004/83/EG Art. 5 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis ohne Rechtsfehler den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung der bestandskräftigen Feststellung zum Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG a. F. abgelehnt.

Die Konversion des Klägers, die erst nach Abschluss des vorherigen Asylverfahrens erfolgt ist, stellt einen subjektiven Nachfluchtgrund dar, welcher nach § 28 Abs. 2 AsylVfG die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschließt. Mit der zum 1. Januar 2005 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten Regelung des § 28 Abs. 2 soll die Zuerkennung des sog. "Kleinen Asyls" ausgeschlossen werden, wenn – wie vorliegend – nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages ein Folgeverfahren auf selbst geschaffene Nachfluchtgründe gestützt wird. Damit soll der bisher bestehende Anreiz genommen werden, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenen Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, um damit zu einem dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet zu gelangen (vgl. BT-Drucksache 15/420, S. 109 f.).

Diese Regelung steht aufgrund der in Art. 5 Abs. 3 RL 2004/83/EG enthaltenen Öffnungsklausel im Einklang mit der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung von Flüchtlingen (sogenannte Qualifikationsrichtlinie; vgl. VG Augsburg, Urteil vom 30.01.2007 - Au 7 K 06.30338; VG Darmstadt, Urteil vom 20.10.2006, Az.: 5 E 689/05.A; a.A. z.B. VG Lüneburg vom 29.11.2006, Az.: 1 A 165/04).

Da somit der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht eröffnet ist, kann sich der Kläger auch auf nicht auf die Gewährung internationalen Schutzes nach Art. 4 RL/2004/83/EG berufen (Art. 5 Abs. 3 RL/2004/83/EG). Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob unter dem Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie weiterhin eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Bereich der Religionsausübung einen Eingriff in den Kernbereich (sog. "forum internum", vgl. BVerwG, Urteil vom 20.1.2004 - 1 C 9/03, NVwZ 2004, 1000) voraussetzt (so VG München, Urteil vom 22.1.2007 - M 9 K 06.51034, Asylmagazin 4/2007, 35 und VG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2006 - 14 K 4553/06.A, Asylmagazin 4/2007, 37), oder ob in Folge der Regelung des Art. 10 Abs. 1 b) RL 2004/83/EG auch Eingriffe in den öffentlichen Bereich der Religionsausübung ausreichen können (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2006 - A 6 K 10335/04, Asylmagazin 11/2006, 23; VG Lüneburg, Urteil vom 15.1.2007 - 1 A 115/04).

Die Konversion des Klägers ist auch nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen.

Einer derartigen, erheblichen Gefährdungssituation wird der Kläger zur Überzeugung des Einzelrichters bei einer Rückkehr in die Türkei auch im Falle einer Einberufung zum Wehrdienst nicht ausgesetzt sein.

Auch das Bestehen einer posttraumatischen Belastungsreaktion, ihr Vorliegen zu Gunsten des Klägers unterstellt, führt nicht zur Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Das Gesundheitswesen der Türkei garantiert auch psychisch kranken Menschen den umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen.

Auch für spezielle Erkrankungen aus dem Formenkreis der posttraumatischen Belastungsstörung wird in der Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen, dass eine dem landesüblichen Standard entsprechende Behandlung in der Türkei grundsätzlich gewährleistet ist (vgl. BayVGH vom 7.6.2005 - 11 B 02.31096; OVG Münster vom 18.1.2005 - 8 A 1242/03.A; HessVGH vom 4.2.2004 - 6 UE 3933/00.A; VGH Baden-Württemberg vom 7.11.2002 - A 12 S 907/00).

Bedürftige, die die ärztliche Behandlung nicht selbst finanzieren können, haben das Recht, sich von der Gesundheitsverwaltung eine "Grüne Karte" ("yesil kart") ausstellen zu lassen, die zu kostenloser medizinischer Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem berechtigt. Die Voraussetzungen, unter denen mittellose Personen in der Türkei die "Grüne Karte" erhalten, ergeben sich aus dem Gesetz Nr. 3816 vom 18. Juni 1992.