LSG Berlin-Brandenburg

Merkliste
Zitieren als:
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.09.2007 - L 15 B 12/07 AY ER - asyl.net: M11797
https://www.asyl.net/rsdb/M11797
Leitsatz:

Ist ein Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, ist das ein Indiz dafür, dass er die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG verlängert hat; davon kann nur abgewichen werden, wenn die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis offenkundig rechtswidrig ist.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; AufenthG § 25 Abs. 5; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Ist ein Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, ist das ein Indiz dafür, dass er die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG verlängert hat; davon kann nur abgewichen werden, wenn die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis offenkundig rechtswidrig ist.

(Leitsatz der Redaktion)

Soweit Leistungen ab dem 15. Mai 2007 (Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht) erstrebt werden, sind die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dagegen erfüllt.

Die Voraussetzungen des § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind nach summarischer Prüfung erfüllt. Es ist - zumal sie bis Mai 2005 bereits einmal Leistungen nach dieser Vorschrift erhalten hatten - offenkundig, dass die Antragsteller über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben. Aber auch die negative Anspruchsvoraussetzung, dass die Dauer des Aufenthalts von den Anspruchstellern nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst worden sein darf, liegt vor. Das ergibt sich bereits daraus, dass den Antragstellern die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt worden ist. Denn dies darf gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG nur geschehen, wenn Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert sind. Ein Verschulden liegt nach Satz 4 insbesondere vor, wenn die Ausländer falsche Angaben gemacht oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt haben.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung der Ausländerbehörde für den Antragsgegner und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit eine förmliche Tatbestandswirkung entfaltet. Jedenfalls wirkt sie als Indiz dahingehend, dass wenigstens ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Aufenthaltserlaubnis von einer staatlichen Stelle geprüft und festgestellt worden ist, dass die weitere Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dem Einfluss des grundsätzlich ausreisepflichtigen Ausländers entzogen ist, ohne dass ihm ein Verschulden daran (und somit erst recht kein Rechtsmissbrauch) vorgeworfen werden kann (im Ergebnis ebenso LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 11. Juli 2007 - L 11 B 3/06 AY und L 11 AY 12/06 ER).

Eine von diesem Prüfungsergebnis abweichende Entscheidung einer anderen Verwaltungsbehörde oder eines Gerichts kann angesichts der von Behörden und Gerichten grundsätzlich zu wahrenden Einheitlichkeit der Rechtsordnung allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Verwaltungsentscheidung, welche die Indizwirkung entfaltet, offenkundig rechtswidrig ist und durch eine weitere für die Antragsteller günstige Entscheidung die Ausweitung eines rechtswidrigen Zustandes drohen würde. Dafür gibt es aber keinen Anhaltspunkt. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. Februar 2007 - B 9b AY 1/06 R - kann die Antragsgegnerin kein für sie günstiges Ergebnis herleiten, weil den Klägern des dortigen Verfahrens kein Aufenthaltstitel zuerkannt worden war, welcher eine Prüfung entsprechend § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG vorsieht.

Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Sie beziehen seit Juni - wieder - Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG, welche zwar, wie die Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs, der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe aber deutlich abgesenkt sind ("Zweites Asylbewerberleistungsrechtliches Existenzminimum", s. Hohm NVwZ 2007, 419, 421). Dies ist ihnen nicht auf Dauer zumutbar, wenn - wie dargelegt - die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ihnen aller Voraussicht nach Leistungen auf Sozialhilfeniveau zustehen (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).