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Zitieren als:
BGH, Urteil vom 15.11.2006 - 2 StR 157/06 - asyl.net: M11803
https://www.asyl.net/rsdb/M11803
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Einschleusen von Ausländern, gewerbsmäßiges Einschleusen, Beihilfe, Rechtsanwalt, Falschangaben, Aufenthaltserlaubnis, Duldung, Duldungsfiktion, Vorsatz
Normen: AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2; AuslG § 92a Abs. 1; AuslG § 92a Abs. 2 Nr. 1; AuslG § 69 Abs. 2; StGB § 25 Abs. 2; StGB § 27
Auszüge:

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig ist, Kontakt zu Personen, die Frauen aus Russland, der Ukraine und dem Baltikum nach Deutschland einschleusten, wo sie als Prostituierte tätig waren.

Der Angeklagte hatte durch allgemeine Anweisungen den Ablauf in seiner Kanzlei so organisiert, dass er selbst mit der Bearbeitung möglichst nicht befasst war und in den Akten nicht auftauchte. Er ließ durch Mitarbeiterinnen der Kanzlei die betroffenen Frauen zunächst das behördliche Formular eines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung blanko unterschreiben. Sodann erhielten sie bzw. ihre als Dolmetscher fungierenden Zuhälter ein kanzleiinternes Formular, das der Angeklagte entworfen hatte und das unter anderem Fragen zu Namen, Wohnort und Zweck des Aufenthalts enthielt. Dieses Formular hatten die Frauen auszufüllen, wobei auf Vollständigkeit der Angaben nicht geachtet wurde. Gespräche mit den Frauen über ihren tatsächlichen Aufenthaltszweck, ihren Wohn- bzw. Aufenthaltsort oder die Finanzierung ihrer Reise wurden nicht geführt. Mitarbeiter des Angeklagten füllten an Hand der von den Frauen ausgefüllten Vordrucke das Behördenformular später selbständig aus. Soweit die Frauen Angaben zu Aufenthaltsort, -zweck und Finanzierung der Reise unterlassen hatten, wurden frei erfundene Angaben nach Rücksprache mit dem Angeklagten oder seiner Lebensgefährtin eingesetzt. Sodann wurde der Antrag nach einer von dem Angeklagten oder seiner Lebensgefährtin vorgenommenen Endkontrolle bei der Ausländerbehörde gestellt.

Die Revision des Angeklagten ist nicht begründet. Der Tatbestand des § 92 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a.F. ist erfüllt. Denn der Angeklagte hat den aus Osteuropa stammenden Ausländerinnen Hilfe geleistet, unrichtige Angaben zu machen, um für sich eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen.

1. Durch die unrichtige Angabe der jeweiligen Anschrift, des Aufenthaltszwecks sowie der Finanzierung der Reise haben die Ausländerinnen ihrerseits den Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verwirklicht. Dabei ist es unerheblich, dass die amtlichen Antragsformulare von ihnen nicht eigenhändig ausgefüllt worden sind. Die von den Angestellten des Angeklagten dort jeweils angegebenen unrichtigen Tatsachen sind den Ausländerinnen zuzurechnen, die die Antragsformulare blanko unterzeichnet und in dem kanzleiinternen Fragebogen selbst falsche oder unvollständige Angaben gemacht hatten. Sie erhielten jeweils Durchschriften der von dem Angeklagten an die Ausländerbehörde gestellten Anträge (UA S. 6), aus denen die unrichtigen Angaben ersichtlich waren. Hinsichtlich des Vorsatzes der Unrichtigkeit war im Übrigen zu berücksichtigen, dass die Ausländerinnen bereits vor der Einreise wissentlich falsche Angaben zur Erlangung eines formell gültigen Touristenvisums gemacht hatten.

2. Die unrichtigen Angaben der ausländischen Frauen erfolgten mit dem Ziel, eine Aufenthaltsgenehmigung - und nicht allein eine Duldung - zu erlangen; die Ausländerinnen strebten eine Verlängerung ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik an. Dass sie hierbei den unrichtigen Angaben zu ihrem Aufenthaltsort sowie zum Zweck und zur Finanzierung der Reise keine Bedeutung beigemessen haben könnten, liegt fern; es bedurfte daher keiner näheren Erörterung durch den Tatrichter.

Von der Strafvorschrift des § 92 AuslG a.F. wird im Übrigen, entgegen der Ansicht der Revision, auch die Duldungsfiktion gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG a.F. erfasst.

4. Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte zu den Taten der Ausländerinnen durch die Anfertigung der mit unrichtigen Angaben versehenen Anträge und ihre Einreichung bei der Ausländerbehörde Hilfe geleistet hat. Die Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen des Angeklagten sind diesem gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Eine eigene Täterschaft des Angeklagten gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a.F. lag ersichtlich nicht vor, so dass es auf die von der Revision angestellten Erwägungen zur Übertragung des Absichtserfordernisses auf den Tatbestand des § 92 a Abs. 1 AuslG a.F. nicht ankommt. Eine solche liegt nach der Systematik der Regelungen auch fern.

Dem Vorsatz des Angeklagten steht nicht entgegen, dass er von vorneherein von einer Ablehnung der Anträge ausgegangen ist. Der Täter-Vorsatz des § 92 a Abs. 1 AuslG a.F., der eine zur selbständigen Tat aufgewertete Beihilfe unter Strafe stellte, bestimmt sich nach den für § 27 StGB geltenden Grundsätzen. Der Täter handelt daher bereits dann vorsätzlich, wenn er erkennt, dass seine Hilfeleistung an sich geeignet ist, die fremde Tat zu fördern (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Auflage § 27 Rdn. 8 m.w.N.). Dies war bei dem Angeklagten der Fall, denn diesem war bewusst, dass die Ausländerinnen mit seiner Hilfe gegenüber der Ausländerbehörde unrichtige Angaben machten, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Dass er selbst nicht von der Begründetheit der Anträge ausging, steht dem nicht entgegen. Die bei den Ausländerinnen selbst gegebene Motivation ihres Handelns musste der Angeklagte nicht selbst aufweisen. Seine Vorstellung von der konkreten Eignung zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung ist daher für den subjektiven Tatbestand des § 92 a Abs. 1 AuslG a.F. ohne Bedeutung (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 378; Senge in Erbs/Kohlhaas aaO).