OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.06.2006 - OVG 11 B 1.06 - asyl.net: M11832
https://www.asyl.net/rsdb/M11832
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Erledigung der Hauptsache, Kosten, Kostenentscheidung, billiges Ermessen, Recht auf Wiederkehr, Rente, Witwenrente, Lebensunterhalt, atypischer Ausnahmefall
Normen: AufenthG § 37 Abs. 5; VwGO § 161 Abs. 2
Auszüge:

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, da die Berufung der Klägerin gegen das ablehnende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Januar 2006 und ihre auf Erteilung eines Visums für einen längerfristigen Aufenthalt gerichtete Klage voraussichtlich Erfolg gehabt hätten. Der Klägerin hätte voraussichtlich ein Anspruch auf Wiederkehr gemäß § 37 Abs. 5 AufenthG zugestanden.

a. Die zwischen den Beteiligten streitige und bisher höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob ein Anspruch auf Wiederkehr nach dieser Vorschrift nur durch den Bezug einer "selbst erwirtschafteten", originären Rente begründet werden kann (so zum - mit § 37 Abs. 5 AufenthG wortgleichen - § 16 Abs. 5 AuslG insbesondere VGH Hessen, Beschluss vom 25. Februar 1993 - 12 TH 2517/92 -, EzAR 026 Nr. 1; unter Berufung hierauf ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 11. September 2003 - OVG 6 S 184.03 -, n.v.; Engels, in GK-AuslR, Stand 9/2004, § 16 Rn 127 ff.) oder ob auch abgeleitete Rentenansprüche, insbesondere Witwenrenten, die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen können (so Hailbronner, AuslR, § 37 AufenthG Rn 44; offen gelassen, aber mit deutlicher Tendenz zu einer Berücksichtigungsfähigkeit dieser Renten: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. März 2006 - 17 A 716/02 -, zitiert nach juris; mit Beschluss vom 26. Juli 2006 - 1 B 89.06 - hat das BVerwG die Revision gegen diese Entscheidung zugelassen mit der Begründung, dass diese dem Gericht Gelegenheit geben könne, "den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 5 AufenthG weiter zu klären"; eine Entscheidung im Revisionsverfahren steht noch aus) wäre nach Auffassung des Senats im letzteren Sinne zu beantworten gewesen. Denn der Wortlaut der Vorschrift sieht keine Einschränkung auf durch eigene Erwerbstätigkeit oder Beitragszahlungen erlangte Renten vor, und Systematik, Wille des Gesetzgebers und Sinn und Zweck der Auslegung geben jedenfalls für § 37 Abs. 5 AufenthG keinen hinreichenden Anhalt (mehr) für eine - über eine bloße Auslegung hinausgehende - teleologische Reduktion der nach dem Wortlaut auch auf abgeleitete Renten anwendbaren Vorschrift.

b. Da § 37 Abs. 5 AufenthG lediglich einen Regelanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gewährt, muss der wiederkehrende Ausländer nach seinen individuellen Verhältnissen dem vom Gesetz zu Grunde gelegten Regelfall eines ausländischen Rentners entsprechen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. April 2004 - 19 A 2265/02 -, zitiert nach juris Rn 25 m.w.N.) bzw. darf sich aufgrund seiner individuellen Verhältnisse nicht so deutlich von dem typischen Erscheinungsbild eines wiederkehrenden Rentners, der seinen Lebensabend in der Bundesrepublik verbringen will, unterscheiden, dass die Einräumung eines Rückkehranspruchs ungerechtfertigt erscheinen müsste (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. November 1992 - 13 B 11583/92 -, zitiert nach juris, Rn. 6; vgl. auch Engels in: GK-AuslR, § 16 Rn 136; Renner, AuslR, § 37 Rn 25). Auch diese Voraussetzung wäre im Fall der Klägerin erfüllt gewesen.

Die insbesondere vom OVG Niedersachsen (Beschluss v. 20. Juli 1999 - 11 M 1883/99 -, zit. nach juris; ähnlich auch Hailbronner, a.a.O. Rn 44; Anwendungshinweise zu § 16 Abs. 5 AufenthG - Nr. 16.5.3 - und zu § 37 Abs. 5 AufenthG - Nr. 37.5.3) vertretene Auffassung, dass der ein Wiederkehrrecht begründende Normalfall das Bestehen eines im Bundesgebiet erworbenen Rentenanspruchs erfordert, der unabhängig von sonstigen Einkünften und vom Vermögen des ausländischen Rentners einen ausreichenden Lebensunterhalt ermöglicht, teilt der Senat nicht. Denn eine entsprechende Anforderung ist zum einen nicht erforderlich, da die Sicherung des Lebensunterhalts jedenfalls unter der Geltung des Aufenthaltsgesetzes durch die Notwendigkeit des Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbes. § 5 Abs. 1 Nr. 1, gewährleistet ist. Zum anderen erscheint eine allein bereits den Lebensunterhalt sichernde Rente von einem deutschen Rententräger auch nicht offensichtlich kennzeichnend für den vom Gesetzgeber als anspruchsbegründend angesehenen "Normalfall", denn innerhalb der als hinreichend angesehenen Mindestaufenthaltsdauer von nur acht Jahren dürfte der Erwerb einer allein lebensunterhaltssichernden Rente kaum jemals möglich sein.