VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Beschluss vom 21.09.2007 - Au 5 E 07.1089 - asyl.net: M11889
https://www.asyl.net/rsdb/M11889
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Gemeinschaftsunterkünfte, Privatwohnung, Krankheit, Sachaufklärungspflicht, Gutachten, Schutz von Ehe und Familie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufnG § 4 Abs. 4; GG Art. 6 Abs. 1; DVAsyl § 20 Abs. 2
Auszüge:

1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Nach der dem Verfahren nach § 123 VwGO zugrunde liegenden summarischen Prüfung haben die Antragsteller keinen Anspruch nach Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Aufnahmegesetz – AufnG) glaubhaft gemacht, wonach der Antragsgegner ihnen den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft in Schwabmünchen zu gestatten hat.

Die Antragsteller sind Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), womit sie in den Geltungsbereich von Art. 1 AufnG fallen. Nach Art. 4 Abs. 1 AufnG sollen solche Personen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Abweichend davon kann ihnen in einem begründeten Ausnahmefall der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gestattet werden, Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG. Hieraus wird deutlich, dass die Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft die Regel darstellt und eine private Wohnungsnahme die absolute Ausnahme sein muss. Ob ein begründeter Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vorliegt, ist eine tatbestandliche Rechtsfrage, deren Voraussetzungen der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist für die Behörde nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG ein Ermessen zur Entscheidung über die Gestattung, dass ein Betroffener nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht wird, eröffnet (BayVGH vom 2.7.2007, Az. 21 ZB 07.1101; vom 24.5.2004, Az. 21 CS 04.87).

Wichtige Gründe, die eine Auszugsgestattung denkbar machen, können Krankheit, die auf Dauer gesicherte Gewährleistung des Unterhalts durch eigenes Einkommen und familiäre Gründe sein. Darüber hinaus sind weitere wichtige Gründe ähnlichen Gewichts vorstellbar.

aa) Bei geltend gemachter Erkrankung als Ausnahmegrund muss es sich um gewichtige gesundheitliche Beeinträchtigungen handeln, die zwingend gegen eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft sprechen, weil ihnen nicht anders entgegengewirkt werden kann, so dass es unabdingbar geboten ist, von einem begründeten Ausnahmefall auszugehen (BayVGH vom 2.7.2007 a.a.O.). Es sind deshalb nur so schwere Erkrankungen als Ausnahmefall anzuerkennen, bei denen eine Umverteilung bzw. Umzugsaufforderung unter humanitären Erwägungen, insbesondere dem von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch gegenüber Ausländern gebotenen staatlichen Mindestschutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit als nicht mehr zumutbar beurteilt werden muss (BayVGH vom 6.5.2004, Az. 21 CS 03.2993

Die von den Antragstellern zu 1 und 4 vorgetragenen Erkrankungen sind nicht derart gravierend, dass ein Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft Schwabmünchen nicht zumutbar erscheint.

Die angeregte Einholung eines ärztlichen Gutachtens im Eilverfahren kam nicht in Betracht. Im Hinblick auf die Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes und die Notwendigkeit einer raschen Entscheidung gebietet der Untersuchungsgrundsatz nur eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage. Insoweit ergeben sich aus der Eilbedürftigkeit auch Einschränkungen für die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Es ist in aller Regel – so auch hier – nicht mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar, in einem Eilverfahren zeitaufwendig Beweis zu erheben. Eilentscheidungen ergehen grundsätzlich aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten oder sonst sofort oder noch innerhalb angemessener Zeit verfügbaren ("präsenten") Beweismittel (BayVGH vom 2.3.2000 Az. 10 ZE 00.467; vom 23.10.2001 Az. 10 ZS 01.421).

cc) Schließlich verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg, dass die Antragsteller vortragen, in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt zu werden, da die Familie aufgrund ihres unterschiedlichen ausländerrechtlichen Status hinsichtlich der Unterbringung (private Wohnung/Gemeinschaftsunterkunft) "aufgespalten" werde. Die Leistung "Unterbringung" kann im Gegensatz zu sämtlichen anderen Leistungen (z.B. medizinische Versorgung), die alle statusbezogen gewährt werden können, nur einheitlich gewährt werden, um die Haushaltsgemeinschaft aufrecht zu erhalten. Daher kann ein Ausgleich gegensätzlicher Berechtigungen nur durch Abwägung im Einzelfall erfolgen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall folgendes:

Die Ehefrau/Mutter der Antragsteller könnte aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status in eine eigene Wohnung umziehen. Ihr kann ein Auszug auch nicht verweigert werden. Allerdings führt dies nicht dazu, dass den übrigen Familienmitglieder automatisch auch der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gestattet werden muss, da die Ehefrau/Mutter der Antragsteller ebenso in der Gemeinschaftsunterkunft weiter wohnen kann (§ 20 Abs. 2 Satz 1 DVAsyl). Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass die Antragsteller durch die abgeschlossene Wohnung bereits über Wohnräume verfügen, die vergleichbar mit einer privaten Wohnung sind. Auch hat die Ehefrau/Mutter der Antragsteller bislang keine eigene Wohnung in Aussicht, so dass eine "Aufspaltung" der Familie nicht unmittelbar bevorsteht.

b) Die Antragsteller vermochten im übrigen das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft zu machen.