LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.09.2007 - L 11 AY 77/06 - asyl.net: M11900
https://www.asyl.net/rsdb/M11900
Leitsatz:

Leistungen nach § 1 a AsylbLG zählen nicht bei der Wartefrist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 36-Monats-Frist, Leistungskürzung
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; AsylbLG § 1a
Auszüge:

Leistungen nach § 1 a AsylbLG zählen nicht bei der Wartefrist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.

(Leitsatz der Redaktion)

Das Sozialgericht Braunschweig hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22. September 2006 zu Recht abgewiesen, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.

Unstreitig haben die Kläger seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nur nach § 1a Nr. 1 AsylbLG reduzierte Leistungen bezogen; diese Entscheidungen sind auch bestandskräftig. Derartige Leistungen sind nicht als Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG anzusehen (so inzwischen auch Hohm, GK-AsylbLG, § 2 Rn. 37 unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Auffassung).

Das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass Zeiten eines Leistungsbezuges nach § 1a AsylbLG nicht als "Leistungen nach § 3 AsylbLG" im Sinne des § 2 AsylbLG anzusehen sind. Zwar regelt § 1a AsylbLG keine gesonderten eigenständigen Leistungen und § 2 AsylbLG normiert nicht ausdrücklich, dass der betreffende Ausländer 36 Monate ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben muss. Dieses ergibt sich auch nicht deutlich aus der Gesetzesbegründung zur bisherigen bis zum 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Rechtslage. § 2 Abs. 1 AsylbLG in der bis zum 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung (§ 2 Abs. 1 AsylblG aF) wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1. Juni 1997 eingeführt (vgl. BGBl. I 1997, S. 1130). Die Endfassung hatte § 2 Abs. 1 AsylbLG (aF) erst durch die Einschaltung des Vermittlungsausschusses erhalten (vgl. BT-Drucksache 13/7510). Dabei hatte sich die Zielsetzung für die Neufassung dieser Vorschrift jedoch nicht verändert. Aus der Begründung für den ersten Entwurf des Änderungsgesetzes (BT-Drucksache 13/2746) ergibt sich, dass die Gesamtdauer der Leistungsabsenkung auf insgesamt 36 Monate begrenzt werden sollte und danach grundsätzlich Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes gewährt werden sollten, die ausgehend vom Individualisierungsgrundsatz in der Sozialhilfe ein dauerhaft existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben zum Ziel hatten, während dagegen bei den reduzierten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen oder vorübergehenden Aufenthalts abgestellt wurde. Aus der Einschränkung in Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (aF) ("wenn die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil ...") ergab sich, dass dabei nur auf eine aktuelle Ausreiseproblematik abzustellen war, jedoch nicht auf Hindernisse, die allein in der Vergangenheit lagen. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (BGBl. I. 1998, S. 2505) wurde ab dem 1. September 1998 die Regelung des § 1a AsylbLG eingeführt. Aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 13/11172) lässt sich nicht entnehmen, ob der Gesetzgeber durch die Einführung des § 1a AsylbLG den Regelungsgehalt des § 2 Abs. 1 AsylbLG (aF) inhaltlich in dem Sinne modifizieren wollte, dass bei der Berechnung der 36-Monatsfrist Zeiten, in denen § 1a AsylbLG Anwendung findet, außer Betracht bleiben sollten. In der gesamten Gesetzesbegründung sind nämlich Bezüge zu § 2 Abs. 1 AsylbLG (aF) nicht enthalten. Aus der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (ab dem 1. Januar 2005) ergibt sich jedoch deutlich die Intention des Gesetzgebers, dass zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden ist, die unverschuldet nicht ausreisen können und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachgekommen sind (BT-Drucksache 14/7387, S. 112). Damit ist es nicht vereinbar, den Leistungsbezug von nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen nach § 1a Nr. 1 AsylbLG einem ungekürzten Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG gleich zu stellen.