VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 06.09.2007 - M 10 S 07.3119 - asyl.net: M11921
https://www.asyl.net/rsdb/M11921
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Studenten, Studienvorbereitung, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Geltungsdauer, atypischer Ausnahmefall, Ermessen, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 16 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Er ist gerichtet auf die Anordnung der kraft Gesetzes entfallenden aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung der Verlängerung des Aufenthaltstitels und der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, Art. 21 a VwZVG).

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand ist nur die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Studienvorbereitung.

Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beurteilt sich nach den hier allein in Betracht kommenden Vorschriften des § 16 Abs. 1 AufenthG (n.F.). Die Geltungsdauer bei der Ersterteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Studium beträgt mindestens ein Jahr und soll bei Studium und studienvorbereitenden Maßnahmen zwei Jahre nicht überschreiten; sie kann verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann (Satz 5). Die entsprechende Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes in der bis 27. August 2007 geltenden Fassung lautete: "Die Geltungsdauer bei der Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis bei studienvorbereitenden Maßnahmen soll zwei Jahre nicht überschreiten; im Falle des Studiums wird sie für zwei Jahre erteilt und kann um jeweils bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann." Nach der Begründung des Entwurfs für das Änderungsgesetz vom 19. August 2007 soll die Regelung einer maximalen Geltungsdauer von zwei Jahren dazu dienen, im Einzelfall und bei besonderen Fallgruppen auch eine kürzere Geltungsdauer vorsehen zu können. Damit werde eine größere Flexibilität ermöglicht und die Möglichkeit einer besseren Kontrolle und Begleitung durch die Ausländerbehörden gewährleistet. Diese Einschränkung sei aufgrund der neuen sicherheitspolitischen Lage geboten. Die in Umsetzung der Studentenrichtlinie der EU ausdrücklich geforderte Mindestgeltungsdauer von einem Jahr für eine Aufenthaltserlaubnis bei Studium bleibe gewährleistet (BT-Drucks. 16/5065, S. 165). Aus der Begründung des Gesetzentwurfs wird somit ungeachtet der etwas missverständlichen Formulierung in § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG (n.F.) deutlich, dass die Obergrenze von zwei Jahren sich im Falle der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Studienvorbereitung nicht auf den Verlängerungszeitraum, sondern auf den Gesamtzeitraum für studienvorbereitende Maßnahmen bezieht. Denn ein Motiv des Gesetzgebers dafür, die regelmäßige Gesamtgeltungsdauer von zwei Jahren bei studienvorbereitenden Maßnahmen auszudehnen, lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs nicht entnehmen.

Im vorliegenden Fall ist der Aufenthaltszweck, nämlich zunächst der Erwerb ausreichender deutscher Sprachkenntnisse für die Aufnahme in das Studienkolleg und anschließend die erfolgreiche Absolvierung des Studienkollegs, nicht erreicht. Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin davon ausgeht, dass sie den Deutschtest für die Aufnahme in das Studienkolleg am 3. September 2007 bestanden hat – das Ergebnis liegt noch nicht vor –, kann sie ihr Studium am Studienkolleg erst am 17. September 2007 aufnehmen und, einen ordnungsgemäßen Verlauf vorausgesetzt, mit der im Juni/Juli 2008 stattfindenden Feststellungsprüfung abschließen (vgl. www.studienkolleg.mhn.de). Die Antragstellerin würde also im günstigsten Fall drei Jahre, gerechnet ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom ... Mai 2005, für den erfolgreichen Abschluss der studienvorbereitenden Maßnahmen benötigen. Dies bedeutet, dass die nach der Soll-Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG für ausreichend erachtete Zeit von insgesamt zwei Jahren um 50% überschritten würde. Die Ausgestaltung als Soll- bzw. Regelvorschrift lässt zwar Ausnahmen bei atypischen Sachverhalten zu. Dies erfordert jedoch, dass im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die es gebieten, von der zeitlichen Obergrenze abzuweichen. Diese Umstände müssen umso gewichtiger sein, je mehr der gesetzlich vorgegebene Zeitrahmen überschritten wird. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Besuch von Sprachkursen zum Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse sowie das regelmäßig ein Jahr dauernde, nur ausnahmsweise im Fall besonderer Leistungen verkürzte, Studium am Studienkolleg innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren erfolgreich absolviert werden können. Da die Bewerberzahl für das Studienkolleg bekanntlich sehr hoch ist und demnach eine relativ hohe Durchfallquote bei den Aufnahmeprüfungen festzustellen ist, mag es, auch unter Berücksichtigung des konkreten Prüfungsergebnisses, im Einzelfall geboten sein, dem betreffenden Ausländer die Möglichkeit für eine Wiederholung der Aufnahmeprüfung einzuräumen. Da die Aufnahmeprüfungen zweimal jährlich im Februar und Anfang September stattfinden, kann sich also eine Verlängerung des Aufenthalts zur Studienvorbereitung um ca. ein halbes Jahr ergeben. Die Antragstellerin hatte jedoch bereits gut eineinhalb Jahre Deutschkurse besucht, bevor sie die Aufnahmeprüfung am Studienkolleg erstmals ablegte. In einem solchen Fall besteht jedenfalls dann, wenn – wie hier – ein Ergebnis im Deutschtest erreicht wird, das sehr weit von der erforderlichen Punktzahl entfernt ist, keine Veranlassung, die Aufenthaltserlaubnis zur Studienvorbereitung erheblich über die gesetzliche Regeldauer hinaus zu verlängern.

Sonstige Umstände, die eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein atypischer Fall kann nicht aus allgemeinen Billigkeits- und Härteerwägungen abgeleitet werden. Erforderlich ist vielmehr, dass die Gründe für eine Überschreitung der Regelfrist einen unmittelbaren Bezug zu dem Studien- bzw. Ausbildungszweck haben, für den die Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und diese von solchem Gewicht sind, dass ein Festhalten an der generalisierenden Grundentscheidung des Gesetzgebers nicht mehr gerechtfertigt wäre. In erster Linie kommen hier krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Verzögerungen der studienvorbereitenden Maßnahmen bzw. Verzögerungen, die nicht in den Verantwortungsbereich des Ausländers fallen, in Betracht (GK-AufenthG, Stand: Juni 2007, RdNr. 12 zu § 16).

Liegt demnach kein Ausnahmefall vor, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn man der – vom Gericht nicht vertretenen – Auffassung wäre, eine Möglichkeit zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bestehe auch unabhängig vom Vorliegen eines Ausnahmefalls. Auch in diesem Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens nicht erfüllt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Denn ein Zeitraum von drei Jahren für die studienvorbereitenden Maßnahmen ist aus den o.g. Gründen nicht als angemessen anzusehen.