OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.06.2007 - 1 LB 4/07 - asyl.net: M12003
https://www.asyl.net/rsdb/M12003
Leitsatz:

Die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung erlischt mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit; Widerruf der Asyl- und Flüchtlilngsanerkennung von im Wege des Familienasyls anerkannten Familienangehörigen

 

Schlagwörter: Armenien, Widerruf, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Familienasyl, Einbürgerung, Familienangehörige, Erlöschen, Aserbaidschaner, gemischt-ethnische Abstammung, Wehrdienst
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AsylVfG § 72 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung erlischt mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit; Widerruf der Asyl- und Flüchtlilngsanerkennung von im Wege des Familienasyls anerkannten Familienangehörigen

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zugelassene Berufung ist begründet, denn das Verwaltungsgericht hat Nr. 1 des angefochtenen Bescheides zu Unrecht aufgehoben. Der Widerruf von Asyl ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG.

1) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG lägen nicht vor, weil die Einbürgerung nicht zum Erlöschen des Asylrechts führe, trifft nicht zu. Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG erlischt die Anerkennung als Asylberechtigter, wenn der Ausländer auf Antrag eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat, genießt. Dies ist hier der Fall, denn die Mutter des Klägers hat auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und genießt als solche den Schutz der Bundesrepublik. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG auch für die Einbürgerung des Stammberechtigten in die Bundesrepublik Deutschland anzuwenden. Der Senat kann auch keinen sachlichen Grund für eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Drittstaates erkennen (ebenso: Marx, AsylVfG 6. Aufl. 2005, § 72, Rn. 33). Die Widerrufsvoraussetzungen lägen aber auch dann vor, wenn – wie das Verwaltungsgericht unter Berufung auf Renner (AuslR, 8. Aufl. 2005, § 72 Rn. 24) meint – sich das Asylrecht sich durch die Einbürgerung auch ohne Anwendung des § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG sozusagen von selbst ("eo ipso") erledigen würde. Auch nach dieser Auffassung erlischt durch die Einbürgerung des Stammberechtigten dessen Asylrecht, so dass das Asylrecht der Familienangehörigen gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG zu widerrufen ist, wenn diese keine eigenen Asylgründe haben (so im Ergebnis bereits Senat, Urt. v. 02. Nov. 2006 – 1 LB 59/05).

Eine Durchbrechung der strengen Akzessorietät des Familienasyls zum Stammrecht ist auch nicht etwa aus Billigkeitsgründen geboten. Insbesondere wird der Familienasylberechtigte nicht schutzlos. Vor einer asylrechtlich erheblichen Verfolgung im Heimatland ist der Familienasylberechtigte geschützt, weil der Widerruf nur erfolgen darf, wenn zuvor festgestellt wird, dass eine solche Gefährdungssituation nicht besteht (s.u.). Alle anderen Gesichtspunkte (Familieneinheit, Vertrauensschutz, langer Aufenthalt, jugendliches Alter u.ä.) sind ausländerrechtlich zu berücksichtigen. Die Beibehaltung des Familienasyls trotz Wegfalls des Stammrechts nach Einbürgerung würde auch zu nicht lösbaren Folgeproblemen und Wertungswidersprüchen zu anderen asylrechtlichen Vorschriften führen. So wäre ein Widerruf des Familienasyls selbst bei einer grundlegenden Verbesserung der politischen Verhältnisse im Heimatland nicht möglich, denn dem ehemals Stammberechtigten kann nach Einbürgerung kein Asylrecht mehr entzogen werden. Schließlich haben auch die Familienangehörigen eines ehemaligen Asylberechtigten nach dessen Einbürgerung keinen Anspruch auf Familienasyl mehr. § 26 AsylVfG setzt nämlich voraus, dass das Stammrecht bei der Gewährung von Familienasyl noch besteht (vgl. Renner aaO, § 26 AsylVfG, Rn. 8).

2) Der Kläger ist auch nicht aus eigenem Recht asylberechtigt. Seine Sorge, er werde in Armenien auf asylrechtlich relevante Weise verfolgt, weil seine Mutter aserische Volkszugehörige ist, ist unbegründet. Angesichts der armenischen Volksgehörigkeit seines Vaters wird der Kläger in Armenien amtlich als armenischer Volkszugehöriger geführt (Konrad, Transkaukasus-Institut, Auskunft v. 30.10.2004 an den Hessischen VGH S. 9 f). Auch sonst wird die aserische Volkszugehörigkeit seiner Mutter nicht auffallen, denn der Kläger ist armenisch geprägt.