OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 21.06.2007 - A 2 B 258/06 - asyl.net: M12038
https://www.asyl.net/rsdb/M12038
Leitsatz:

Ein abgelehnter Asylbewerber ist nicht dazu verpflichtet, im Rahmen der Beschaffung von Identitätspapieren unrichtige Erklärungen gegenüber den Behörden seines Heimatlandes abzugeben (hier: Freiwilligkeitserklärung).

 

Schlagwörter: D (A), Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Darlegungserfordernis, Mitwirkungspflichten, abgelehnte Asylbewerber, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Iran, Iraner, Freiwilligkeitserklärung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4; AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
Auszüge:

Ein abgelehnter Asylbewerber ist nicht dazu verpflichtet, im Rahmen der Beschaffung von Identitätspapieren unrichtige Erklärungen gegenüber den Behörden seines Heimatlandes abzugeben (hier: Freiwilligkeitserklärung).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) liegt nicht vor.

Die von ihm aufgeworfenen Fragen, "inwieweit kollusives und völkerrechtswidriges Verhalten durch deutsches Recht geschützt [wird] und inwieweit überhaupt noch Zwangsmittel zur Willensbeugung im deutschen Verwaltungsbetrieb denkbar sind", sind weder grundsätzlich klärungsbedürftig noch grundsätzlich klärungsfähig. Für sich genommen sind diese Fragestellungen derart weit und unscharf gefasst, dass sie schon keinen Bezug zum hier zu entscheidenden Fall, und damit auch keine Entscheidungserheblichkeit, erkennen lassen.

Soweit der Beklagte schließlich eine grundsätzliche Bedeutung daraus ableitet, dass in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Freistaats Sachsen teilweise unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, in welchem Umfang die vom Beklagten erlassenen Bescheide Bestand haben können, ist ihm zwar darin zu folgen, dass einer solchen divergierenden Judikatur durchaus Indizwirkung für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zukommen kann. Dies enthebt den Beklagten indes nicht davon, sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen und im Hinblick darauf in vorbezeichnetem Sinne eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung herauszuarbeiten.

Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sieht sich der Senat zu dem allgemeinen Hinweis veranlasst, dass eine durch Verwaltungsakt vorgenommene Konkretisierung der in § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG normierten Verpflichtung des Ausländers zur Mitwirkung an der Beschaffung eines Identitätspapiers erheblichen rechtlichen Bedenken in den Fällen begegnet, in denen der jeweilige Herkunftsstaat die zwangsweise Rückführung seiner Staatsangehörigen nach erfolglos abgeschlossenem Asylverfahren grundsätzlich ablehnt und deshalb eine Erklärung des Betroffenen fordert, dass seine Heimreise freiwillig erfolge. Dies führt in der Regel dazu, dass der Ausländer in unzulässiger Weise angehalten wird, eine seiner inneren Überzeugung entgegenstehende, unrichtige Erklärung abzugeben. Die Lösung dieses Problems ist vorrangig zwischenstaatlichen Rückführungsübereinkommen vorbehalten, wie es etwa Australien Mitte 2003 mit dem Iran im Wege eines "Memorandum of Understanding" abgeschlossen hat (vgl. hierzu: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand: März 2006, S. 37).