VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14.08.2007 - 11 L 844/07 - asyl.net: M12069
https://www.asyl.net/rsdb/M12069
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Bleiberechtsregelung 2006, Täuschung, Falschangaben, Volkszugehörigkeit, Serbien, Serben, Kosovo, Albaner, Roma
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 23 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, weil nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht ist, dass die Antragsteller die erstrebte Anordnung beanspruchen können.

Soweit die Antragsteller meinen, sie könnten aufgrund der im Lande Nordrhein-Westfalen maßgeblichen Erlasslage ein Bleiberecht und deswegen im Rahmen dieses Verfahrens eine Sicherungsanordnung beanspruchen, folgt das Gericht ihrer Einschätzung nicht. Zu Recht legt der Antragsgegner zugrunde, dass ein solches Bleiberecht im Blick auf die Ziffer 1.4.2 des Erlasses vom 11. Dezember 2006 nicht besteht, weil die Antragsteller vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben, wobei sich die Antragsteller zu 3. bis 6. das Verhalten der Antragsteller zu 1. und 2., ihrer Erziehungsberechtigten, zurechnen lassen müssen.

Die Täuschung kann zwar nicht darin gesehen werden, dass die Antragsteller zunächst im Jahre 1999 gegenüber dem Bundesamt vorgetragen hatten, sie gehörten zur Volksgemeinschaft der Kosovo-Albaner, während sie dann nach der ersten negativen Asylentscheidung des Bundesamtes vom 4. November 1999 im Klageverfahren behauptet hatten, sie gehörten zum Volk der Ashkali. Denn zum einen dürfte insoweit im "Wechsel" des Sachvortrags kein wesentlich neuer Vortrag zu erblicken sein, da nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen sich die zum Volk der Ashkali rechnenden Bewohner des ehemaligen Jugoslawien selbst (auch) als Albaner sehen und bezeichnen und ausweislich der Feststellungen des Kosovo Source Information Project (KOSIP Nr. 00463 0611) aus November 2006 die Antragsteller tatsächlich zur Volksgruppe der Ashkali gehören. Zum anderen liegt der Vortrag, zur Volksgemeinschaft der Kosovo-Albaner zu gehören, länger zurück und ist bereits im Januar 2000 durch die Angabe, zum Volk der Ashkali zu gehören, korrigiert bzw. spezifiziert worden; daher dürfte hier Satz 4 der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006 einschlägig sein, wonach solchen länger zurückliegenden Sachverhalten keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden braucht.

Die Täuschung ist aber darin zu sehen, dass die Antragsteller im Jahre 2004 behauptet haben, sie gehörten dem Volk der Roma an, indem sie mit Schreiben ihrer früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 4. März 2004 eine Kopie eines Roma-Ausweises des Antragstellers zu 1. vom 3. März 2003 vorgelegt haben und indem die Antragstellerin zu 2. am 5. April 2004 einen Asylfolgeantrag mit der Begründung gestellt hat, dass sie zum Volk der Roma gehöre.

Die genannte Täuschung ist im vorliegenden Fall allein schon aufgrund der Dauer des täuschungsbedingt erlangten Aufenthalts "von einigem Gewicht" i.S.v. Satz 2 der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006.

Die Antragsteller können nicht damit gehört werden, eine etwaige Täuschung über ihre Volkszugehörigkeit unterfalle nicht der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006, weil in dieser Regelung als Ausschlussgrund nur eine Täuschung über die Identität oder die Staatsangehörigkeit des Betroffenen greife. Solche Täuschungsgründe stellen zwar den Regelfall einer nach Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006 relevanten Täuschungshandlung dar, wie sich aus der Formulierung dort "insbesondere" ergibt. Neben den angegebenen Regelfällen sind aber weitere Umstände, die "aufenthaltsrechtlich relevant" sind, zu beachten , wie vorliegend die Frage der Volkszugehörigkeit, die über die Frage einer zwangsweisen Rückführung entscheidet.