VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.10.2007 - 7 E 5805/06.A(V) - asyl.net: M12085
https://www.asyl.net/rsdb/M12085
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, medizinische Versorgung, Kabul, alleinstehende Personen, soziale Bindungen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 73 Abs. 3
Auszüge:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Widerruf erweist sich zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig, da er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Daher ist der Bescheid aufzuheben.

Zwar teilt das erkennende Gericht die in dem Widerrufsbescheid vom 06.12.2006 getroffene Bewertung, dass die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte psychologische Stellungnahme des Zentrums für Sozialpsychiatrie H vom 14.07.2006 nicht geeignet ist, eine beim Kläger vorliegende posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren. Insoweit fehlt es an einer überzeugenden, etwa an den Prüfkatalog der Berliner Ärztekammer ausgerichteten Exploration und Diagnose. Unabhängig davon kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger nach wie vor eine ausgewiesene ängstliche Depression vorliegt.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zumindestens auf eine weitere medikamentöse Behandlung dringend angewiesen wäre. Aufgrund der gegebenen Auskunftslage kann jedoch derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass diese unabdingbar erforderliche medizinische Behandlung dem Kläger in Afghanistan zur Verfügung stünde. Ausweislich des jüngsten Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 17.03.2007, ist die medizinische Versorgung in Afghanistan aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals völlig unzureichend. Auch in Kabul, wo mehr Krankenhäuser als im übrigen Afghanistan angesiedelt seien, sei für die afghanische Bevölkerung noch keine hinreichende medizinische Versorgung gegeben. In dem Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Afghanistan vom 11.12.2006 wird auf Seite 10 darüber hinaus angeführt, dass die Behandlung von Personen mit chronischen, schwerwiegenden oder ansteckenden Erkrankungen oder psychotraumatischen Beschwerden kaum oder nur an sehr wenigen Orten und nur unzureichend möglich ist (vgl. auch UNHCR, Humanitäre Erwägungen im Zusammenhang mit der Rückkehr nach Afghanistan, Mai 2006). Im Hinblick auf diese Auskunftslage ist auch davon auszugehen, dass die zwingend gebotene regelmäßige ärztliche Betreuung des Klägers in Afghanistan nicht sichergestellt wäre.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seinem eigenen Vorbringen zufolge, das keinen grundlegenden Anlass zu Zweifeln bietet, in Kabul keine Familienangehörigen hat, die im Falle seiner Rückkehr nach dort für ihn sorgen bzw. ihn betreuen könnten. Jedenfalls im Falle des Klägers erwiese sich im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan das Fehlen solcher familiärer Strukturen als eine Situation, in der der Kläger auf kürzeste Zeit in eine extrem lebensbedrohliche Situation geriete.