VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Urteil vom 10.10.2007 - 8 E 2443/05 (2) - asyl.net: M12114
https://www.asyl.net/rsdb/M12114
Leitsatz:

Ein öffentlich-rechtlicher Krankenhausträger hat keinen Anspruch auf den Ersatz von Behandlungskosten aus § 84 AuslG/§ 68 AufenthG gegen den die Verpflichtungserklärung Abgebenden.

 

Schlagwörter: D (A), Verpflichtungserklärung, Kostenersatz, Krankenhaus, städtisches Krankenhaus, Behandlungskosten, Eigenbetrieb, Verwaltungsakt, Leistungsbescheid
Normen: AuslG § 84 Abs. 1; AufenthG § 68 Abs. 1; EigBGes § 1; EigBGes § 10
Auszüge:

Ein öffentlich-rechtlicher Krankenhausträger hat keinen Anspruch auf den Ersatz von Behandlungskosten aus § 84 AuslG/§ 68 AufenthG gegen den die Verpflichtungserklärung Abgebenden.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kostenheranziehungsbescheid des Klinikums A-Stadt vom 15.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 05.12.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger auch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kostenersatzforderung der Beklagten (nur) nach altem Recht zu richten hat, weil der Kläger sich nach diesem zum Kostenersatz verpflichtet hat. Hierauf kommt es vorliegend nicht an, weil § 84 Abs. 1 AuslG im nunmehr geltenden § 68 Abs. 1 AufenthG seine wortgleiche Entsprechung gefunden hat, sich die Rechtslage insoweit mithin nicht geändert hat.

Ein Kostenersatzanspruch der Beklagten kann sich aber auch nur aus dieser Regelung aufgrund der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung ergeben. Soweit die Beklagte die Auffassung zu vertreten scheint, dass sich für das Klinikum ein Erstattungsanspruch schon aus der Verpflichtungserklärung des Klägers selbst ergibt, verkennt sie, dass sich die Folgen der Verpflichtungserklärung allein aus dem Gesetz ergeben (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33/97, in: BVerwGE 108, 1 ff, hier zitiert nach juris). Eine andere Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz wird von der Beklagten selbst nicht geltend gemacht und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

Die streitbefangene Kostenheranziehung findet jedoch in § 84 Abs. 1 AuslG/§ 68 Abs. 1 AufenthG keine tragfähige Rechtsgrundlage.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner vorstehend zitierten Entscheidung ausgeführt hat, setzt die Regelung der Kostenerstattungspflicht die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, weil die zu erstattenden Aufwendungen in Form eines Verwaltungsaktes zu konkretisieren sind. Der streitbefangene Kostenheranziehungsbescheid weist zwar im Briefkopf auch den Magistrat der Stadt A-Stadt als verfügende Stelle aus, doch hat hier letztlich das Klinikum gehandelt, das nach dem Vorbringen der Beklagten von dieser als Eigenbetrieb im Sinne des hess. Eigenbetriebgesetzes (EigBGes) geführt wird und als solcher nicht zum Erlass von Verwaltungsakten befugt ist.

Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an, weil der Kläger auch dessen ungeachtet nicht gemäß § 84 AuslG/§ 68 AufenthG zum Ersatz der ungedeckten Kosten der medizinischen Versorgung seiner Schwiegermutter im Klinikum A-Stadt verpflichtet ist. Bei den Aufwendungen der medizinischen Versorgung handelt es sich nämlich, entgegen der Auffassung der Beklagten, um keine öffentlichen Mittel im Sinne des § 84 Abs. 1 AuslG/§ 68 AufenthG, für die allein sich der Kläger zum Kostenersatz verpflichtet hat.

Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich nämlich eindeutig, dass nicht jedwede öffentlichen Mittel zu ersetzen sind, die für einen Ausländer aufgewendet worden sind. Die Ersatzpflicht beschränkt sich vielmehr auf die für den Lebensunterhalt des betreffenden Ausländers aufgewendeten Mittel, was sich zwanglos aus der Formulierung des Gesetzes ergibt. Die aufgewendeten öffentlichen Mittel müssen mithin konkret dem Lebensunterhalt eines Ausländers zurechenbar sein. Dies ist bei allgemein aufgewendeten Steuermitteln solange nicht der Fall, bis sie durch eine Einzelmaßnahme einer konkreten Person zugeordnet werden. Dies gilt auch für die in einem Krankenhaus für die Versorgung der Patienten aufgebrachten Mittel, wobei das Inrechnungstellen eines Entgeltes dem nicht genügt. Dies begründet sich darauf, dass ein Entgelt, obgleich öffentliche Kliniken grundsätzlich kostendeckende Entgelte zu erheben haben, keine Zuordnung von öffentlichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt des Patienten einschließlich der Versorgung im Krankheitsfall im Sinne des § 84 Abs. 1 AuslG/§ 68 AufenthG darstellt. So ist die medizinische Versorgung in einem öffentlichen Krankenhaus von ihrer Ausgestaltung her keine Leistung für den Lebensunterhalt, sondern Leistung zur Erfüllung eines Behandlungsauftrages, für die ein nach Pflegesätzen und Pauschalen festgelegtes Entgelt als Gegenleistung für die erbrachten Dienste verlangt wird. Dieses auf Leistung und Gegenleistung beruhende Rechtsverhältnis ist schon seiner Rechtsnatur nach keine Beziehung, die Raum für die Aufwendung öffentlicher Mittel zur Versorgung im Krankheitsfall als Bestandteil der Sicherung des Lebensunterhaltes ließe. Ein solcher Einsatz öffentlicher Mittel erfolgt in diesen Fällen vielmehr erst und nur durch eine für den Einzelfall berechnete, bezifferte, als Krankenhilfe bewilligte und zur Auszahlung gebrachte Leistung der Sozialhilfe (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 14.12.2004 - B 1 K 04.20 zitiert nach juris; VG München, Urteil vom 21.03.2001 - M 31 K 00.1940 zitiert nach juris).

Der von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vertretenen gegenteiligen Auffassung, das Klinikum habe letztlich "als Sozialamt" gehandelt, vermag sich das Gericht vor diesem Hintergrund somit nicht anzuschließen. Ungeachtet dessen, dass schon nicht erkennbar ist, aufgrund welcher Legitimation dieser Eigenbetrieb der Beklagten, dessen Vermögen als Sondervermögen der Beklagten zu verwalten ist, über den Einsatz von Sozialhilfemitteln bestimmen können soll, hat das Klinikum vorliegend erkennbar keine Sozialhilfe gewähren wollen, sondern die medizinische Versorgung gegen Entgelt geleistet.

Soweit die Beklagte zur Unterstützung ihrer Auffassung geltend macht, dass nicht einzusehen sei, warum die öffentliche Hand in Fällen wie dem vorliegenden von der Krankenversicherung nicht gedeckte Behandlungskosten tragen solle, vermag dieses Argument nicht zu überzeugen. Wird die öffentliche Hand privatwirtschaftlich tätig, indem sie ihr obliegende öffentliche Aufgaben im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung erfüllt, unterliegt sie den gleichen wirtschaftlichen Risiken wechselseitiger Vertragsbeziehungen, wie andere Wirtschaftsunternehmen auch.