OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 30.10.2007 - 2 D 390/07 - asyl.net: M12125
https://www.asyl.net/rsdb/M12125
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Aufenthaltserlaubnis, Bleiberechtsregelung 2006, Altfallregelung, Ausschlussgründe, Familienangehörige
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114 S. 1; AufenthG § 23 Abs. 1; AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 6; AufenthG § 104a Abs. 3 S. 2
Auszüge:

Die Beschwerde der Kläger gegen die in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.8.2007 – 10 K 521/07 – enthaltene Versagung der Prozesskostenhilfe hat Erfolg.

Die gerichtliche Verfolgung des gegen die Abschiebungsandrohung vom 8.11.2006 gerichteten Anfechtungsbegehrens (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), bei dessen Beurteilung – wie schon im Widerspruchsbescheid vom 26.2.2007 geschehen – auch einer Abschiebung aus heutiger Sicht möglicherweise entgegen stehende Bleibeansprüche der Kläger in den Blick zu nehmen sind, ist offensichtlich nicht "mutwillig" und bietet nach dem als Erkenntnismaterial zur Verfügung stehenden Inhalt der Gerichts- und Ausländerakten der Kläger eine für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei dieser auf den Streitgegenstand des jeweiligen Rechtsstreits bezogenen Beurteilung dürfen die Anforderungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Blick auf die gesetzliche Zielsetzung des Prozesskostenhilferechts nicht überspannt werden. Die Bewilligung ist, da es nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens sein kann, den Rechtsstreit durch eine weitgehende rechtliche Vorausbeurteilung des Streitgegenstands quasi "vorwegzunehmen", dann gerechtfertigt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zumindest vertretbar hält und bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der Beweisführung in seinem Sinne überzeugt ist (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 25.4.2005 – 2 Y 1/05 –, SKZ 2005, 302, Leitsatz Nr. 65, und vom 5.5.2004 – 1 Y 4/04 -, n.v., dazu allgemein Zöller, 23. Auflage 2002, § 114 RNr. 19, dort unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH; dazu auch Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage 2003, RNr. 409, wonach insbesondere keine vorweggenommene Hauptsacheentscheidung im Rahmen des PKH-Verfahrens erfolgt; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 166 RNr. 8, wonach eine "gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs" genügt und dessen überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich ist).

Das ist hier der Fall. Die von den Klägern mit dem Widerspruch geltend gemachten Ansprüche nach dem § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der zur Umsetzung der Beschlusslage der Innenministerkonferenz ergangenen Anordnung des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen und Sport vom Dezember 2006 (Bleiberechtsregelung, BRR 2006) (vgl. den Erlass zum "Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige" vom 20.12.2006 – B 5510/1 – Altfall –) sind nunmehr nach der mit Wirkung vom 28.8.2007 an deren Stelle getretenen gesetzlichen Altfallregelung in § 104a AufenthG (vgl. Art. 1 Nr. 82 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (EURLAsylUmsG) vom 19.8.2007, BGBl. 1970, 1990) zu beurteilen. Auch diese Vorschrift enthält in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG zwar einen der Ziffer 3.3 BRR 2006 im Wesentlichen entsprechenden Ausschlusstatbestand hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers und insoweit spricht auch alles dafür, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid entgegen der Ansicht der Kläger zu Recht auf die Vorschrift in § 47 Abs. 3 BZRG hingewiesen hat.

Wie indes der neue § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG deutlich macht, geht der Gesetzgeber zwar regelmäßig (Satz 1) davon aus, dass der Ausschluss auch gegenüber mit dem Betroffenen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen gilt, gebietet aber unter den dort genannten (engen) Voraussetzungen eine gesonderte Betrachtung für den – wie hier jedenfalls nach Aktenlage unbescholtenen – Ehepartner. Die dadurch aufgeworfenen Fragen, etwa inwieweit dabei eine gesonderte wirtschaftliche Betrachtung für den Ehegatten des Straftäters, freilich wiederum unter Berücksichtigung der Fristvorgaben in § 104a Abs. 5 AufenthG, vorzunehmen ist, sind nach dem zuvor Gesagten grundsätzlich nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu klären. Letzteres gilt auch für mögliche rechtliche Folgen eines etwaigen Bleiberechts der Klägerin oder der nicht am Verfahren beteiligten, in Deutschland geborenen und hier aufgewachsenen, alle noch in Ausbildung befindlichen 16, 14 beziehungsweise 13 Jahre alten gemeinsamen Kinder für den Kläger unter dem Gesichtspunkt des freilich nur in ganz engen Grenzen ein eigenes rechtliches Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 AufenthG begründenden Art. 8 EMRK (vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.10.2006 – 2 Q 25/06 -, SKZ 2007, 47 Leitsatz Nr. 57 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR, zum Begriff des "faktischen Inländers" in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 29.8.1998 – 1 C 8.96 –, InfAuslR 1999, 303) oder mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG.