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Zitieren als:
, Bescheid vom 30.11.2007 - 5224940-438 - asyl.net: M12139
https://www.asyl.net/rsdb/M12139
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Diabetes mellitus, Hypertonie, Herzerkrankung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Dem Antrag wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich des Iraks vorliegen.

Der Antragsteller hat nachgewiesen, dass er an Diabetes mellitus (Typ 2) leidet.

Erkrankungen an Diabetes Typ 1 und Typ 2 sind im Irak weit verbreitet. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation litten im Jahre 2000 etwa 600.000 Iraker an Diabetes. Die wirksame Behandlung dieser Erkrankung setzt eine qualitativ und quantitativ ausreichende Medikamentenversorgung sowie eine regelmäßige ärztliche Einstellung und Überwachung des Patienten voraus. Gemäß Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2007, Az.: 508-516.80/3 IRQ, bleibt die medizinische Versorgung im Irak angespannt. Im Irak arbeiten 4 von 14 Krankenhäusern nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte gelten generell als qualifiziert. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen Primary Health Center sind fast ausnahmslos wegen verschiedener Mängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Viele Krankenhäuser beklagen die mangelnde Energie- und Trinkwasserversorgung sowie schlechte hygienische Bedingungen. Grundsätzlich sind in den Bagdader Apotheken viele Medikamente erhältlich: Deren Einfuhr erfolgt meist über Jordanien. Auch ist es möglich, Medikamente kurzfristig zu bestellen. Sie sind aber vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten kaum erschwinglich. Ein beträchtlicher Teil der ohnehin knappen Ressourcen des irakischen Gesundheitswesens wird für die Behandlung von Opfern der bewaffneten Auseinandersetzungen beansprucht.

Im vorliegenden Fall war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits im fortgeschrittenen Alter ist und es schwer haben dürfte, im Falle seiner Rückkehr in den Irak sich eine Existenz zu schaffen und gleichzeitig die Ausgaben für die notwendigen Medikamente zu finanzieren. Hinzu kommt, dass die medizinische Versorgungslage im Irak in den letzten Jahren stets angespannt war. Ärzte verlassen in größerer Zahl das Land und die Weltgesundheitsorganisation hat bereits im April 2003 darauf verwiesen, dass an vielen irakischen Krankenhäusern ein Mangel an Medikamenten zur Behandlung chronisch Kranker - auch Diabetiker - herrscht. Erkenntnisse dahingehend, dass sich die Versorgungslage zwischenzeitlich verbessert hat, liegen derzeit nicht vor.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller die ärztlich bescheinigte tägliche Insulingabe in Kombination mit Tabletten bei einer Rückkehr in de Irak nicht oder zumindest nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen wird. Die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen (das Auftreten von Spätkomplikationen wie diabetische Nephropathie, Retinopathie (bis hin zur Erblindung) und möglicherweise ein späterer Herzinfarkt) stellen eine erhebliche, individuelle und konkrete Gefahr für die Gesundheit des Ausländers dar.