VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 22.11.2007 - 19 C 07.2240 - asyl.net: M12147
https://www.asyl.net/rsdb/M12147
Leitsatz:
Schlagwörter: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Anerkennungsrichtlinie, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, allgemeine Gefahr
Normen: AufenthG § 25 Abs. 3; VwGO § 166; ZPO § 114; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

1. Die statthafte Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung im erstinstanzlichen Verfahren ist zulässig (§§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1 VwGO). Sie erweist sich jedoch als unbegründet, weil die aufenthaltsrechtliche Klage auch nach Überzeugung des Senats keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne § 166 VwGO, § 114 ZPO bietet.

Auch die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. der sog. Qualifikationsrichtlinie, wie sie in der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2007 angenommen werden, liegen nach Überzeugung des Senats nicht vor. Entgegen dieser Rechtsprechung lässt Art. 15 c QRL nämlich keine allgemeine Bedrohung als Voraussetzung für einen subsidiären Flüchtlingsschutz genügen, sondern setzt eine individuelle Bedrohung voraus. Dies besagt der Wortlaut und ergibt sich auch unmissverständlich aus dem Erwägungsgrund Nr. 26 der Richtlinie, der integraler Bestandteil des gemeinschaftlichen Rechtsaktes und deshalb zur Auslegung seiner Regelungen heranzuziehen ist. Die Folgen eines bewaffneten Konflikts als kriegs- oder bürgerkriegsgleichen Zustandes wie die vom Kl. geltend gemachte schlechte Sicherheits- und Versorgungslage betreffen jedoch die Bevölkerung allgemein und fallen somit nicht in den Regelungsbereich der Vorschrift (so auch BVerwG, B. v. 15.5.2007 - 1 B 217/06, VGH BW, B. v. 8.8.2007 - A 2 S 229/07 mit kritischer Auseinandersetzung zum Urteil des VG Stuttgart a.a.O., Hess. VGH, B. v. 9.11.2006 - 3 UE 3238/03.A und B. v. 26.6.2007 - 8 UZ 452/06.A sowie OVG Schleswig-Holstein, B. v. 22.12.2006 - 1 LA 125/06). Dementsprechend ist der Begründung zur Änderung des § 60 Abs. 7 AufenthG und Einführung des seit 28. August 2007 in Kraft getretenen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (BGBl I 2007, S. 1970 ff.), mit dem Art. 15 c QRL in nationales Recht umgesetzt wurde, zu entnehmen, dass allgemeine Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe des Landes ausgesetzt ist, grundsätzlich keine individuelle Bedrohung im Sinne der Qualifikationsrichtlinie darstellen, sondern im Rahmen einer Anordnung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Duldung aus humanitären u. a Gründen) zu berücksichtigen sind (so bereits BayVGH, B. v. 8.10.2007 - 19 CS 07.1987 und B. v. 5.10.2007 - 19 C 07.1705). Soweit der Kl. der Ansicht ist, dass zwischenzeitlich eine individuelle Bedrohung jedes einzelnen Mitglieds der Zivilgesellschaft des Irak im Sinne § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegt, müsste er dies – worauf die Bekl. im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend hinweist – richtigerweise beim zuständigen Bundesamt in Form eines Folgeantrags gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG geltend machen.