VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 13.11.2007 - 21 CS 07.1630 - asyl.net: M12161
https://www.asyl.net/rsdb/M12161
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Gemeinschaftsunterkünfte, Zuweisung, Familienangehörige, subsidiärer Schutz, Anerkennungsrichtlinie, Wohnraum, Schutz von Ehe und Familie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufnG Art. 1; AufnG Art. 4 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 31; RL 2004/83/EG Art. 23 Abs. 2
Auszüge:

Die gemäß § 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AufnG, Art. 21 a VwZVG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 16. April 2007 nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Mit diesem Bescheid ist der Antragsteller, ein erfolgloser Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien, der im Besitz einer Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG ist, der Stadt Würzburg zugewiesen und unter Androhung von Zwangsmaßnahmen aufgefordert worden, in die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Veitshöchheimer Str. 100 umzuziehen.

Es bestehen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides, die im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeräumt werden können. Vielmehr ist eine gründliche rechtliche Prüfung im Hauptsacheverfahren erforderlich. Solange überwiegt das Interesse des Antragstellers, der nach Aktenlage seit 1991 in der Bundesrepublik Deutschland lebt, nicht sofort in eine Gemeinschaftsunterkunft umziehen zu müssen, sondern mit seiner Ehefrau vorläufig weiter außerhalb leben zu können, das gegenläufige öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Zuweisungsentscheidung.

Die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. April 2007 ergeben sich aus folgendem:

Zwar gehört der Antragsteller zu dem Personenkreis, der nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes leistungsberechtigt ist und damit gemäß Art. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 AufnG in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden soll. Das Verwaltungsgericht hat auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats entschieden, dass bei dem Antragsteller im Hinblick auf seine Ehefrau, die seit 19. August 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist, kein begründeter Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vorliegt, weil der Antragsgegner der Ehefrau gestattet hat, mit dem Antragsteller in die Gemeinschaftsunterkunft einzuziehen. Nicht berücksichtigt sind aber bisher die Art. 31 und 23 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 vom 30.9.2004, S. 12). Diese Richtlinie gilt nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 in Deutschland unmittelbar (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 1.2.2007 NVwZ 2007, 590), soweit sie nicht ohnehin schon durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I Nr. 42 S. 1970) umgesetzt ist. Nach den genannten Vorschriften sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder – wie der Ehefrau des Antragstellers der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, den Zugang zu Wohnraum unter den Bedingungen erhalten, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten; Familienangehörige solcher Personen – wie der Antragsteller –, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden Status erfüllen, haben zur Wahrung des Familienverbands gemäß den einzelstaatlichen Verfahren ebenfalls Anspruch auf diese Vergünstigung, sofern dies mit ihrer persönlichen Rechtsstellung vereinbar ist. Ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen diese europarechtlichen Bestimmungen auf die streitgegenständliche Zuweisungsentscheidung haben, muss im Hauptsacheverfahren eingehend geprüft und geklärt werden.