OLG Brandenburg

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Zitieren als:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.11.2007 - 11 Wx 50/07 - asyl.net: M12169
https://www.asyl.net/rsdb/M12169
Leitsatz:

§ 14 Abs. 3 AsylVfG ist auch auf die Zurückschiebungshaft anwendbar.

 

Schlagwörter: D (A), Zurückschiebungshaft, Asylantrag, Asylgesuch, Anwendbarkeit
Normen: AsylVfG § 14 Abs. 3
Auszüge:

§ 14 Abs. 3 AsylVfG ist auch auf die Zurückschiebungshaft anwendbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG).

Der Senat hat bereits in der Entscheidung 11 Wx 19/05/11 Wx 20/05 vom 17. März 2005, auf die Bezug genommen wird, ausgeführt, das Landgericht habe in jenem Fall rechtsfehlerfrei die Auffassung vertreten, die Anordnung und Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft sei auch dann zulässig, wenn der Betroffene aus der Haft einen Asylantrag beim BAMF stelle. An dieser Rechtsprechung hält der Senat – auch im Hinblick auf die seit dem 28.08.2007 gültige Neuregelung des § 14 Asylverfahrens – fest, obwohl inzwischen in der Kommentarliteratur teilweise eine andere Auffassung vertreten wird (so Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 14 AsylVerfG Rn 16 ff und Melchior, Abschiebungshaft Onlinekommentar Nr. 417) und das Oberlandesgericht Köln (Az.: 16 Wx 130/07, Beschluss vom 11.06.2007) es als zweifelhaft angesehen hat, ob die Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG auch die Fortdauer von Zurückschiebungshaft ermöglicht (im Ergebnis vom OLG Köln offen gelassen).

Mit dem zum 1.11.1997 in § 14 AsylVfG eingefügten Abs. 3 (früher Abs. 4) sollte verhindert werden, dass der Ausländer, der um Asyl nachsucht, während er sich in öffentlichem Gewahrsam befindet, wegen des dann ausgelösten Bleiberechts entlassen werden muss und untertauchen und (erneut) Straftaten begehen kann (BT-Drs 13/4948 S.10). Dieses Ziel ist im Gesetzestext nicht ausdrücklich zum Ausdruck gelangt. Daher hängt die Anwendung nicht vom Nachweis einer Missbrauchsabsicht ab, diese wird vielmehr generell ohne Möglichkeit der Widerlegung unterstellt. Die danach im Hinblick auf die aufgezeigten Vorgaben der Verfassung notwendige Begrenzung des Anwendungsbereichs soll durch eine abschließende Aufzählung der Gewahrsamsarten und strikte Befristung erreicht werden (vgl. Renner a.a.O., Rdnr. 16). Das Asylgesuch und das damit verbundene gesetzliche Aufenthaltsrecht der Aufenthaltsgestattung beenden die Ausreisepflicht und führen damit grundsätzlich zur Beendigung von Vorbereitungs- und Sicherungshaft. § 14 Abs. 3 AsylVfG verhindert diese regulären Folgen des Asylgesuchs und ermöglicht Abschiebehaft trotz Aufenthaltsgestattung und Aufhebung der Ausreisepflicht (vgl. Renner, a.a.O.).

Mit der von Renner und Melchior vertretenen Auffassung (jeweils a.a.O.) geht auch der Senat davon aus, dass die Regelungen des § 14 Abs. 3 AsylVfG angesichts des Ausnahmecharakters und des gesetzlichen Zwecks der Missbrauchabwehr sorgfältig und möglichst wortlautgetreu auszulegen sind.

Anders als die genannten Kommentatoren meinen, stellt die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft in Fällen, in denen der Betroffene aus der Haft heraus einen Asylantrag stellt, nach Meinung des Senates aber gerade keine unzulässige erweiternde Auslegung über den Wortlaut des § 14 Abs. 3 AsylVfG hinaus oder analoge Anwendung dar:

Im Hinblick auf die Zurückschiebungshaft ist in §§ 15 Abs. 4, 57 Abs. 3 und in § 33 Abs. 3 AufenthG auf § 62 AufenthG Bezug genommen worden. Soweit § 14 Abs. 3 AsylVfG in diesen Vorschriften nicht erwähnt ist, kann daraus aber nicht gefolgert werden, dass die Zurückschiebungshaft von § 14 Abs. 3 AsylVfG nicht umfasst wird.

Vielmehr ergibt sich aus dieser Norm – unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben – hinreichend deutlich, dass sie die "Abschiebehaft" im Sinne des Aufenthaltsgesetzes insgesamt in ihren Regelungsbereich einbezieht. Unter diesen Begriff fallen gerade auch die Zurückweisungs- bzw. Zurückschiebungshaft. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber des AufenthG diese von der Rechtsprechung und Kommentarliteratur verwendeten differenzierenden Bezeichnungen für die verschiedenen Haftarten nicht gewählt, sondern alle Haftarten mit dem Oberbegriff "Abschiebehaft" bezeichnet hat. Konsequenterweise hat der Gesetzgeber diese, dem AufenthG fremde Terminologie nicht im AsylVfG aufgegriffen. Daher vermag der Senat der Auffassung, es fehle an einer Verknüpfung der genannten Regelungen des AufenthG mit § 14 Abs. 3 AsylVfG, nicht beizutreten. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, seine dargelegte Motivation (Verhinderung von Missbrauch und Untertauchen) passe nicht ohne Weiteres auf Zurückweisung und Zurückschiebung (letzteres meint Renner, a.a.O.), hätte er diese Bereiche angesichts der dargelegten Gesetzessystematik gerade ausdrücklich ausnehmen müssen.

Da nach dem hinreichend erkennbaren Willen des Gesetzgebers auch der Fall der (sogen.) Zurückschiebungshaft von § 14 Abs. 3 AsylVfG umfasst wird, kommt es auf das weitere, zur Unterstützung seiner Meinung von Renner betonte Argument, Zurückweisung und Zurückschiebung unterschieden sich so sehr von der Ausweisung und Abschiebung, dass sich auch ihr Verhältnis zu einem Asylgesuch anders darstelle, nicht mehr an. Allerdings könnten dieser Auffassung im Hinblick auf die jeweils durchzuführenden Verwaltungs- und Rechtsschutzverfahren Bedenken begegnen, ohne dass dies hier näher untersucht werden müsste.