LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.12.2007 - L 11 AY 2/07 u.a. - asyl.net: M12281
https://www.asyl.net/rsdb/M12281
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, freiwillige Ausreise, Syrien, Kurden, Staatenlose, Beweislast, Einreiseverweigerung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Die gemäß §§ 172 ff des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässigen Beschwerden sind begründet. Zu Unrecht hat das SG Hildesheim die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die angefochtenen Beschlüsse waren daher aufzuheben. Den Antragstellern stehen vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - und unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen ab 5. Juli 2006 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im anhängigen Rechtsstreit S 44 AY 65106 sog. Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG zu.

Im Streit steht allerdings, ob die Antragsteller die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

Entgegen der Auffassung des SG verbleiben in diesem summarischen Verfahren begründete Zweifel, ob die von den Antragstellern vorgelegten syrischen Identifikationsbescheinigungen der Antragsteller gefälscht sind.

Hinsichtlich der Aufklärung der Identität der Antragsteller ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein ausländerrechtliches Fehlverhalten.

Im Übrigen ist es zum heutigen Entscheidungszeitpunkt überwiegend wahrscheinlich, dass den Antragstellern eine Ausreise nach Syrien tatsächlich unmöglich ist. Derzeit ist den Antragstellern nicht zu widerlegen, dass sie staatenlose, im syrischen Ausländerregister registrierte Kurden aus Syrien moslemischen Glaubens sind. Diese Angaben der Antragsteller finden sich im Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. März 2002 bzw vom 14. März 2003 wieder. Im Übrigen haben die Antragsteller diese Angaben auch bereits in der Anhörung im Asylverfahren gemacht. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind ihnen diese Angaben nicht zu widerlegen.

In leistungsrechtlicher Hinsicht ist den Klägern der Aufenthalt in der Bundesrepublik allerdings nur dann vorwerfbar, wenn ihnen die Ausreise auch möglich ist (vgl. BSG a.a.O.). Nach dem Vortrag der Antragsteller wird den Antragstellern die Wiedereinreise nach Syrien verweigert. Auch dieser Vortrag ist den Antragstellern zum heutigen Zeitpunkt nicht zu widerlegen. Es ist gerichtsbekannt und entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. Juli 2003, Az. 1 C 21/02), dass im Einzelfall für staatenlose Kurden nach Syrien ein striktes Einreiseverbot seitens der syrischen Behörden besteht. Dies kann im Einzelfall auch eine freiwillige Rückkehr in diesen Staat aus praktischen Gründen auf unabsehbare Zeit für unmöglich erscheinen lassen. Nach dem glaubhaften Vortrag der Antragsteller lässt sich eine solche Konstellation für die Antragsteller zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ausschließen. Im Hauptsacheverfahren wird daher weiter aufzuklären sein, unter welchen Bedingungen und wann eine freiwillige Ausreise nach Syrien möglich und zumutbar erscheint. Bis zum Abschluss dieser Sachverhaltsermittlungen ist der Aufenthalt der Antragsteller in der Bundesrepublik jedenfalls in leistungsrechtlicher Hinsicht nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst.