VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 20.11.2007 - 5 A 209/07 - asyl.net: M12286
https://www.asyl.net/rsdb/M12286
Leitsatz:

Keine hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung eines Oppositionellen in Togo.

 

Schlagwörter: Togo, Oppositionelle, Regimegegner, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit, politische Entwicklung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung eines Oppositionellen in Togo.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist jedoch begründet, soweit der Kläger unter Aufhebung des angegriffenen Bescheides die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt.

Danach ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner politischen Tätigkeit in Togo dort im Frühjahr 2002 inhaftiert wurde. Es ist mithin von einer Vorverfolgung auszugehen. Voraussetzung für den Widerruf gem. § 73 AsylVfG ist mithin die Feststellung, dass eine erneute Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Togo mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 30. November 2006 stand Togo bis zum Tode seines früheren Präsidenten Eyadema im Jahre 2005 unter faktischer Alleinherrschaft. Auch die Nachfolge des verstorbenen Präsidenten Eyadema hat sich undemokratisch gestaltet. Das togoische Militär hat dessen Sohn zunächst verfassungswidrig als Präsidenten eingesetzt. Die im April 2005 angesetzten Präsidentschaftswahlen verliefen so unregelmäßig, dass sie von den Wahlbeobachtern nicht anerkannt wurden. Die als Folge der Präsidentschaftswahlen ausgebrochenen Unruhen wurden von Militär und Polizei massiv unterdrückt. Eine große Anzahl von togoischen Staatsbürgern floh in die Nachbarstaaten. Zwischenzeitlich führe der neue Präsident Faure einen "nationalen Dialog" mit oppositionellen Gruppen. Im August 2006 kam es in der Folgezeit zu einer Vereinbarung, deren Ziel die Herstellung des Rechtsstaats in Togo ist. Die Neubildung der Regierung und die Durchführung von Parlamentswahlen sollen im Jahre 2007 erfolgen. Trotz einer positiven politischen Bewertung seien die Institutionen des Staates sowie die politischen Parteien schwach und demokratisch unerfahren, von einer abgeschlossenen Konsolidierung Togos könne noch keine Rede sein. Bis zum Beginn des politischen Dialogs im April 2006 kam es insbesondere im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen am 26.04.2005 zu Unruhen, bei denen mehrere hundert Personen getötet worden seien, Tausende seien verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten Tränengas und scharfe Munition eingesetzt. Als Folge dieser Unruhen flohen über 40.000 Togoer in die Nachbarländer Benin und Ghana. Diese sollen zwischenzeitlich allerdings zum überwiegenden Teil wieder unbehelligt nach Togo zurückgekehrt sein. Gegenwärtig könne davon ausgegangen werden, dass sich die Oppositionsparteien frei und ohne Einschränkungen betätigen könnten. Alle Institutionen und Organe des Staates seien schwach. Sie seien unter der Diktatur des früheren Präsidenten verkümmert und sollen erst durch einen Reformprozess ihre eigenen Bestimmung und Funktionstüchtigkeit erhalten. Verfahren mit politischem Hintergrund seien in der Vergangenheit unter massivem Druck auf die Justiz erfolgt. Derartige Verfahren seien gegenwärtig jedoch nicht anhängig. Polizei und Gendarmerie mangele es hinsichtlich ihrer Aufgaben weniger an gesetzlichen Vorschriften, sondern vielmehr an einer fundierten, die Menschenrechte respektierenden Ausbildung. Insbesondere das angemessene Verhalten der Ordnungskräfte in Einsatzsituationen werde nicht ausreichend trainiert und gefördert.

Bei diese Sachlage vermag die Kammer derzeit nicht festzustellen, dass eine erneute Verfolgung des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach Togo mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Für die Annahme einer hinreichenden Verfolgungssicherheit wird es erforderlich sein, den Demokratisierungsprozess in Togo noch über einen gewissen Zeitraum (ein oder zwei Jahre) zu beobachten.