SG Aachen

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Zitieren als:
SG Aachen, Beschluss vom 28.12.2007 - S 19 AY 12/07 ER - asyl.net: M12287
https://www.asyl.net/rsdb/M12287
Leitsatz:

Bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG zählen auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach SGB II oder SGB XII mit; ein Minderjähriger ist nicht gem. § 2 Abs. 3 AsylbLG ausgeschlossen, wenn ein Elternteil keine Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, sondern nach SGB II bezieht.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 48-Monats-Frist, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kinder, Minderjährige, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: SGG § 86b Abs. 2; AsylbLG § 2 Abs. 1; AsylbLG § 2 Abs. 3
Auszüge:

Bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG zählen auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach SGB II oder SGB XII mit; ein Minderjähriger ist nicht gem. § 2 Abs. 3 AsylbLG ausgeschlossen, wenn ein Elternteil keine Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, sondern nach SGB II bezieht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 1 und Abs. 3 AsylbLG.

Die Antragsteller erfüllen auch die Voraussetzung des 48-monatigen Leistungsvorbezuges. Die Antragsteller haben zwar nicht über einen Zeitraum von 48 Monaten hinweg Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen. Vielmehr haben sie bis zum 31.12.2004 zunächst Leistungen nach dem AsylbLG und vom 01.01.2006 bis zum 30.04.2007 Leistungen nach dem SGB II erhalten. Nach Auffassung des Gerichtes reicht es zur Erfüllung der 48-Monats-Frist indes aus, dass Leistungsberechtigte im Vorbezugszeitraum Leistungen nach dem SGB XII oder dem SGB II bezogen haben (so bereits Beschl. v. 03.06.2005, Az. S 19 AY 6/05 ER, bestätigt durch Beschl. LSG NRW v. 14.09.2005, Az. L 12 B 5/05 AY ER; Beschl. v. 06.07.2007, Az. S 19 AY 7/07 ER; ebenso LSG NRW, Beschl. v. 27.04.2006, Az. L 20 B 10/06 AY ER; LSG NRW, Beschl. v. 26.04.2007, Az. L 20 B 4/07 AY ER). An dieser Auffassung vermag auch die mit Wirkung vom 28.08.2007 eingetretene Gesetzesänderung, mit der der Vorbezugszeitraum von 36 auf 48 Monate erhöht wurde, nichts zu ändern. Durch diese Verlängerung des Vorbezugszeitraums hat sich jedoch am grundsätzlichen Sinn und Zweck der leistungsrechtlichen Privilegierung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nichts geändert. Insoweit gilt weiterhin, dass die Anhebung der Leistungen auf Sozialhilfeniveau die Bedürfnisse anerkennt, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auch bessere soziale Integration gerichtet sind und die bei einem in der Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht anzuerkennen sind (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/5065, S. 232).

Auch die weiteren Voraussetzungen der Leistungsgewährung nach § 2 Abs. 3 AsylbLG liegen vor. Danach erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält. Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift dem Wortlaut nach nicht vor, weil nicht mindestens ein Elternteil der Antragsteller Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezieht. Jedoch ist eine Auslegung dahingehend geboten, dass Minderjährigen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auch dann zu gewähren sind, wenn Ihre Eltern zwar keine Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, dafür aber Leistungen nach dem SGB II erhalten. Die gegenteilige Auffassung widerspräche dem dargelegten Zweck der höheren Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, der auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und eine bessere soziale Integration gerichtet ist. Sie würde zu dem Ergebnis führen, dass minderjährige Kinder von besser integrierten Eltern, die ausländerrechtlich und leistungsrechtlich privilegiert sind und bereits im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen, gegenüber minderjährigen Kindern von weniger gut integrierten Eltern in ungerechtfertigter Weise dauerhaft benachteiligt würden.