SG Osnabrück

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Zitieren als:
SG Osnabrück, Beschluss vom 27.12.2007 - S 16 AY 28/07 ER - asyl.net: M12299
https://www.asyl.net/rsdb/M12299
Leitsatz:

Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a. F. zählen bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG n.F. mit.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 48-Monats-Frist, Erwerbstätigkeit, Unterbrechung, Altfälle, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a. F. zählen bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG n.F. mit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 2 S. 2 SGG sind vorliegend gegeben.

a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da für den vorliegenden Fall § 2 AsylbLG analog anzuwenden ist.

Der Antragsteller ist als geduldete Ausländer - unstreitig - leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG wird ihm nicht vorgeworfen. Leistungen nach § 3 AsylbLG hat er - ebenfalls unstreitig - über einen Zeitraum von 36 Monaten erhalten.

aa) Die Erwerbstätigkeit und der anschließende Bezug von Leistungen nach dem SGB III führt hier nicht zu einem Neubeginn der Frist nach § 2 AsylbLG.

Anhand des Wortlauts des § 2 AsylbLG ("insgesamt 48 Monate") ergibt sich, dass eine Unterbrechung des Leistungsbezugs grundsätzlich unschädlich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01; so auch: Hohm in: GK-AsylbLG, §2 Rn.41). Unterbrechungen des 48-Monatszeitraums des § 2 Abs. 1 AsylbLG führen nur dann zum erneuten Anlauf der Frist, wenn die Unterbrechung im Hinblick auf die der Vorschrift innewohnende Integrationskomponente beachtlich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01). Ob zusätzlich ein Zeitraum von 6 Monaten dieser Unterbrechung zu fordern ist (so Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01, andere Ansicht: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 AY 5480/06) kann hier dahinstehen, da keine negative Beachtlichkeit der Unterbrechung vorliegt.

Diese Beachtlichkeit wird z.B. angenommen, wenn sich der Ausländer längere Zeit in seinem Heimatland aufgehalten hat oder längere Zeit untergetaucht ist und deshalb die Vorbereitung der Integration in die deutsche Gesellschaft abgebrochen ist (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003; Az.: 3 A 60/02).

Mit diesen Fällen ist die Aufnahme einer Tätigkeit und der anschließende Bezug von Leistungen nach dem SGB III nicht vergleichbar. Diese Dinge stehen einer Integration gerade nicht entgegen. Der Bezug von Einkommen und Leistungen nach dem SGB III unterbricht danach den Lauf der Frist, führt aber nicht zu einem Neubeginn (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003; Az.: 3 A 60/02).

bb) § 2 AsylbLG findet auf die Fälle, in denen eine Umstellung auf Leistungen nach § 2 AsylbLG a. F. bereits zwölf Monate in der Vergangenheit liegt, analog Anwendung.

(1) Die für eine Analogie notwendige planwidrige Regelungslücke liegt vor (angedeutet, aber offen gelassen: SG Hildesheim, Beschluss vom 30.10.2007, Az.: S 40 AY 108/07).

Dies ergibt sich aus der fehlenden Übergangsvorschrift im Zusammenhang mit der fehlenden Erwähnung dieses Falls in den Gesetzesmaterialien.

Zwar wird in den seitens des Antragsgegners vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 14.08.2007 und des Niedersächsischen Innenministers vom 18.10.2007 darauf abgestellt, dass aus der fehlenden Regelung gerade zu folgen ist, dass "Altfälle" - wie der vorliegende - unter § 2 AsylbLG n. F. fallen und eine Regelungslücke nicht erkennbar sei.

Dieser Ansicht folgt die Kammer indes nicht, da die fehlende Regelung von Altfällen nicht dazu führt, dass der Gesetzgeber diesen Fall auch wirklich regeln wollte. Dieser Wille ist nämlich - gerade mangels einer Übergangsvorschrift - nicht klar und deutlich aus dem Gesetz ersichtlich. Anders als bei Erlass des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (Art. 1, BT-Drucksache 13/2746), bei der in § 2 Abs. 1 AsylbLG mit dem Wortlaut "frühestens beginnend am 1. Juni 1997" zweifelsfrei der Wille des Gesetzgebers zu erkennen war, dass alle leistungsberechtigten Ausländer zunächst auf den 36 Monate währenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen waren (vgl. beispielhaft Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97), hat der Gesetzgeber nun eine solche Klarstellung nicht geregelt (vgl. hierzu ebenfalls: SG Hildesheim, Beschluss vom 30.10.2007, Az.: S 40 AY 108/07).

Danach stellt sich der Gesetzeswortlaut selbst für die Frage der planwidrigen Regelungslücke als offen dar. Ob ein sog. "beredtes Schweigen" des Gesetzgebers in dieser fehlenden Regelung liegt ist dann anhand Gesetzesmaterialien zu prüfen. Danach ist nicht auf eine solche Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu schließen.

Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/5065, S. 232) lässt sich nämlich keine Vorgabe des Gesetzgebers entnehmen, wie solche Übergangsfälle zu beurteilen sind.

(2) Zudem liegt eine vergleichbare Interessenlage vor. Im konkreten Einzelfall (der bereits vorliegenden Gewährung von Leistungen nach dem AsybIG über 48 Monate) tritt die Zeitkomponente und nicht die Gewährung der Leistungen nach § 3 AsylbLG in den Vordergrund. Grund für die leistungsrechtliche Privilegierung nach einer Zeit von 48 Monaten ist in erster Linie, dass es sich bei einem Aufenthalt von über vier Jahren nicht mehr um einen rein vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland handelt, der jedoch Standardfall des Asylbewerberleistungsrechts sein soll (vgl. hierzu GK AsylbLG, § 2, Rdnr. 33 in Bezug auf die Bundestagsdrucksache 13/5008, S. 15, so auch die BT-Drucksache 16/5065, S. 232 zur vorliegenden Änderung, siehe oben). Der Grund für diese Privilegierung ist hier also gegeben, da kein vorübergehender Aufenthalt mehr vorliegt.

Das Gericht teilt insofern nicht die in dem Erlass des Nds. Innenministerium vom 4. September 2007 (41.22 - 12235 - 8.4.2) vertretene Auffassung, dass auch bei den Übergangsfällen eine Einbeziehung von anderen Sozialleistungen bei der Erfüllung der Frist im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG den Zweck der Vorschrift "konterkarieren" würde (vgl. dazu ebenfalls: SG Hildesheim, Beschluss vom 30.10.2007, Az.: S 40 AY 108/07).

b) Zudem liegt grundsätzlich ein Anordnungsgrund vor (dazu unter aa). Dieser kann im einstweiligen Verfahren aber erst mit Stellung des Antrags bejaht werden (dazu unter bb).