SG Stade

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Zitieren als:
SG Stade, Beschluss vom 08.01.2008 - S 19 AY 38/07 ER - asyl.net: M12303
https://www.asyl.net/rsdb/M12303
Leitsatz:

Bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG zählen auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. mit.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, 48-Monats-Frist, Rückwirkung, Übergangsregelung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG zählen auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. mit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige Antrag ist begründet.

Der AS hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift besteht Anspruch auf die weitergehenden Leistungen nach § 2 AsylbLG erst nach dem Bezug von Leistungen gemäß § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten. Die Verlängerung der Frist von 36 auf 48 Monate durch die Änderung des Gesetzes zum 28. August 2007 schließt es aber nicht aus, bei Leistungsberechtigten wie dem Antragsteller, die vor der gesetzlichen Änderung bereits Leistungen nach dieser Vorschrift bezogen haben, Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 AsylbLG bei der Berechnung der Frist von 48 Monaten zu berücksichtigen. Vielmehr ist im Wege einer analogen Anwendung des Gesetzes für den genannten Kreis der Leistungsberechtigten eine Berücksichtigung dieser Zeiten geboten, da das Gesetz insoweit eine regelungsbedürftige Lücke enthält.

Allein die Tatsache, dass eine Übergangsregelung für sog. Altfälle formulierbar gewesen wäre, aber keinen Eingang in das Gesetz gefunden hat, schließt es nicht aus, dass der Gesetzgeber die Problematik einer Absenkung für bereits leistungsberechtigte Personen nicht gesehen und nur deshalb eine Übergangsregelung nicht getroffen hat. Sinn und Zweck der Regelungen des AsylbLG, nach langjährigem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG für den privilegierten Personenkreis eine Integrationskomponente anzuerkennen (vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl v. 12 Juni 2007 - L 11 AY 84/06 ER mwN), sprechen aber dagegen, dass bislang privilegierte Leistungsberechtigte von dem höheren Leistungsbezug vorerst wieder ausgenommen werden sollen. Vielmehr liefe ein solches Ergebnis dem zum Ausdruck gebrachten Ziel, abhängig vom Grad der Verfestigung grundsätzlich nach 48 Monaten Aufenthaltsdauer durch die Gewährung höherer Leistungen das Bedürfnis nach sozialer Integration anzuerkennen, zuwider. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls ein Teil der Betroffenen wie z.B. der AS sich erheblich länger als vier Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und - wie ebenfalls der AS - zum Teil seit weit über einem Jahr bereits die höheren Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG iVm SGB XII bezogen haben, welche ihnen in der Vergangenheit in gewissem Umfang eine Teilhabe am sozialen Leben und eine Einbindung in die Gesellschaft ermöglichten. Eine Rückstufung und ggf. Zunichtemachung dadurch erreichter Integrationserfolge würde der Intention, nach einem Aufenthalt von über 48 Monaten regelmäßig das Integrationsinteresse anzuerkennen und zu diesem Zweck höhere Leistungen zu gewähren, widersprechen. Nach Auffassung der Kammer lassen diese Umstände alleine den Schluss zu, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält, indem eine Übergangsregelung nicht enthalten ist.

Zur Schließung dieser planwidrigen Gesetzeslücke müssen bei Leistungsberechtigten, die bei Inkrafttreten der gesetzlichen Änderung nach dem Bezug von Grundleistungen über einen Zeitraum von 36 Monaten die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten haben, diese Zeiten in die Berechnung der Frist von 48 Monaten einbezogen werden. Die Interessenlage bei diesen Leistungsberechtigten ist identisch wie bei denjenigen, die nach dem Bezug von Grundleistungen über eine Dauer von 48 Monaten erstmals in den Genuss höherer Leistungen nach dem SGB XII kommen. Bei beiden Gruppen liegt ein mindestens vier Jahre langer und damit verfestigter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor und wurde das Integrationsbedürfnis vom Gesetzgeber jeweils bereits anerkannt. Ferner bestehen - abgesehen von der unterschiedlichen Dauer des Bezugs von Grundleistungen - keine Unterschiede, welche einen unterschiedlichen Leistungsbezug und eine existentielle Schlechterstellung derjenigen, die bereits höhere Leistungen bezogen hatten, rechtfertigen können. Nach dem insoweit erkennbaren Willen des Gesetzgebers, anknüpfend an die Dauer des Aufenthaltes von grundsätzlich 48 Monaten und entsprechendem Leistungsbezug nach dem AsylbLG die höheren Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren, ist die bestehende Lücke durch Berücksichtigung der Zeiten des Leistungsbezuges nach § 2 AsylbLG bei der Berechnung der 48-Monatsfrist zu schließen. Da der AS unter Einberechnung dieser Zeiten über 48 Monate Leistungen nach dem AsylbLG erhält, sind bei ihm in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum die zeitlichen Voraussetzungen für den weiteren Leistungsbezug nach § 2 Abs. 1 AsyIbLG iVm SGB XII erfüllt.

3. Dem AS ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, da die derzeit bewilligten Leistungen deutlich geringer sind als die Leistungen nach § 2 AsyIbLG iVm SGB XII. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl Beschluss vom 06. Februar 2004 - 4 ME 494/03) und der herrschenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28. März 2007 - L 7 AY 1386/07 ER-B; s.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. B. Oktober 2007 - L 11 AY 9/05 ER), nach welcher für die Bezieher mit abgesenkten Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG bei einem glaubhaft gemachten Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG ab Antragseingang regelmäßig ein Anordnungsgrund besteht.