LSG Hessen

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Zitieren als:
LSG Hessen, Beschluss vom 21.12.2007 - L 6 AY 4/07 NZB - asyl.net: M12304
https://www.asyl.net/rsdb/M12304
Leitsatz:

Ansprüche nach dem AsylbLG erlöschen nicht durch Ausreise.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Berufungszulassung, Nichtzulassungsbeschwerde, grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmangel, Ausreise, Rechtsschutzinteresse, Vollmacht, Untertauchen
Normen: SGG § 44 Abs. 2 Nr. 1; AsylbLG § 1 Abs. 1; AsylbLG § 1 Abs. 3; SGG § 144 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

Ansprüche nach dem AsylbLG erlöschen nicht durch Ausreise.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Es liegen keine Gründe für die Zulassung der Berufung vor.

Der Beklagte hat die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst damit begründet, die Kläger seien zum Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides bereits ausgereist gewesen, Hieraus kann keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG abgeleitet werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 144, Rdnr. 28). Hiervon kann zu Gunsten des Beklagten nicht ausgegangen werden, denn § 1 Abs. 3 AsylbLG ist bereits im Wortlaut eindeutig und bedarf keiner weiteren grundsätzlichen Klärung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift nach Auffassung des Senats geregelt, dass Ansprüche bezogen auf Leistungszeiträume, die nach der Ausreise liegen, nicht mehr in Betracht kommen. Der Beklagte meint demgegenüber offenbar, dass Ansprüche auf Leistungen bezogen auf Leistungszeiträume vor der Ausreise mit der Ausreise erlöschen. Dies hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar nicht gewollt und wird auch in der Kommentarliteratur so nicht vertreten (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 1 AsylbLG Rdnr. 24; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1 AsyIbLG Rdnr. 12; Birk in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 1 AsylbLG, Rdnr. 12). Dementsprechend ist es auch ohne Belang, dass die Kläger nunmehr im Heimatland leben. Für den Senat bestehen insoweit keine Zweifel daran, dass ein abgelehnter und abgeschobener Asylbewerber rechtswidrig abgelehnte Ansprüche bezogen auf die Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet auch nach seiner Ausreise weiterverfolgen kann. Eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit gebietet bereits Artikel 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz (GG).

Weiter ist eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht erkennbar.

Soweit der Beklagte hierzu geltend gemacht hat, ein Verfahrensmangel ergebe sich daraus, dass eine ladungsfähige Anschrift der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides nicht bekannt gewesen sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Kläger waren im erstinstanzlichen Verfahren kraft Vollmacht vom 16.04.2003 wirksam durch Rechtsanwälte Waldmann-Stocker und Kollegen in Göttingen vertreten (vgl. § 73 SGG). Der Fortbestand der Vollmacht wird nicht dadurch tangiert, dass die ladungsfähige Anschrift - auch dem Bevollmächtigten - nicht bekannt ist. Für das gerichtliche Verfahren ergibt sich lediglich (allerdings nur im Falle fehlender Vertretung) die Notwendigkeit einer öffentlichen Zustellung von Ladungen und Entscheidungen. Eine wirksame Vertretung besteht im Übrigen auch derzeit noch. Insoweit führt die Beendigung des Rechtszuges nicht zum Erlöschen der Vollmacht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 87 Rdnr. 7).

Ein Verfahrensmangel ergibt sich weiter auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten, aufgrund der Ausreise der Kläger sei das notwendige Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben gewesen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht aufgrund der Ausreise der Kläger nachträglich entfallen. Hiervon könnte lediglich dann ausgegangen werden, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Kläger nicht (mehr) verbessern würde (vgl. Meyer-Ladewig,, a. a. O., vor § 51, Rdnr. 16a). Dies ist hier gerade nicht der Fall, denn der von dem Sozialgericht zugesprochene Anspruch ist - wie ausgeführt - nicht mit der Ausreise entfallen, wobei hier ohnehin die Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses angesprochen ist. Der Beklagte hat insoweit mit seinem Vortrag, der Aufenthalt im Bundesgebiet stelle ein leistungserhebliches Tatbestandsmerkmal dar, welches im Rahmen des Bestehens des Rechtsschutzbedürfnisses geprüft werden müsse, Zulässigkeitsfragen und Begründetheitsfragen unzutreffend vermischt. Im Übrigen können die zugesprochenen Leistungen, worauf die Klägerseite zu Recht hingewiesen hat, von den Prozessbevollmächtigten der Kläger in Empfang genommen und nach Klärung der Anschrift an diese weitergeleitet werden.