VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 28.11.2007 - 8 K 1502/06 - asyl.net: M12322
https://www.asyl.net/rsdb/M12322
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, nachträgliche Befristung, deutsche Kinder, Eltern, Vaterschaft, Rücknahme, Wechsel der Rechtsgrundlage, Ermessen
Normen: AufenthG § 7 Abs. 2 S. 2; VwVfG § 48 Abs. 1; AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 3
Auszüge:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Ordnungsverfügung findet zwar in § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG keine Rechtsgrundlage.

Nach dieser Vorschrift kann die Frist der Geltung einer Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Dass eine Voraussetzung in diesem Sinne entfallen ist, setzt voraus, dass sie vorher, hier zur Zeit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, vorgelegen hat und dann nachträglich weggefallen ist. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch auf Fälle, in denen eine Erteilungsvoraussetzung von Anfang an nicht erfüllt war, sich dies aber erst im späteren Verlauf herausgestellt hat, ist nicht möglich (vgl. im Einzelnen Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 23. Mai 1995 - 1 C 3/94 - zu § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG, BVerwGE 98, 298, Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr 3, AuAS 1995, S. 230, InfAuslR 1995, 349, NVwZ 1995, S. 1119, DVBl 1995, S. 1298, EzAR 019 Nr 10).

Hiernach ist der § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorliegend nicht anwendbar.

Die Ausländerbehörde hatte dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis am 23. August 2005 als einem ausländischen Elternteil eines minderjährigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt. Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung waren also die Vaterschaft und die Ausübung der Personensorge. Die erste dieser beiden Voraussetzungen, die Eigenschaft, Elternteil des betreffenden deutschen Kindes zu sein, war hier von Anfang an nicht erfüllt.

Nach dem DNA-Gutachten vom 12. Juni 2006 und der gerichtlichen Feststellung durch Urteil vom 13. Februar 2007 steht fest, dass der Kläger nicht Elternteil des minderjährigen deutschen Kindes ist (und damit zu keinem Zeitpunkt war). Diese zwingende Erteilungsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ist also nicht, wie es der § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfordert, "entfallen", sondern von Anfang an nicht gegeben gewesen.

Die mit der streitbefangenen Ordnungsverfügung getroffene Regelung kann sich aber auf § 48 Abs. 1 VwVfG NRW stützen.

Durch die Rechtfertigung der Ordnungsverfügung aus § 48 Abs. 1 VwVfG NRW ändert sich an ihrer Regelung nichts. Mit der Befristung hat die Behörde die Beendigung der Geltung der Aufenthaltserlaubnis verfügt. Eben diese Wirkung, nämlich die Beseitigung der Geltung zu dem in der Verfügung bestimmten Zeitpunkt, entfaltet auch eine Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG NRW. Bedenken gegen eine solche Beurteilung könnten lediglich dann bestehen, wenn die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW zu einem Anspruch auf Ausgleich von Vermögensnachteilen führen könnte und insofern in ihren Wirkungen weitergehend wäre als eine Befristungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1995, a.a.O.).

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis sind erfüllt. Diese war wegen ihres mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmenden Inhalts rechtswidrig, da - wie oben dargelegt - der Kläger entgegen der Erteilungsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht Elternteil eines minderjährigen deutschen Kindes war und ist.

Die Rücknahme steht im Ermessen der Behörde. Diese und die Widerspruchsbehörde haben dieses Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Zwar haben sie die Abwägung für und gegen die Regelung sprechender Erwägungen einschließlich etwaiger Vertrauensschutzgesichtspunkte im Rahmen der nachträglichen Befristung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG angesiedelt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Beklagte und die Widerspruchsbehörde bei der Anwendung des § 48 VwVfG NRW zusätzliche Gesichtspunkte hätten in den Blick nehmen müssen. Gerade die hier allenfalls noch in Betracht kommende Frage des Vertrauensschutzes ist vom Beklagten hinreichend erwogen worden.