OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 14.11.2007 - 3 Bs 232/07 - asyl.net: M12381
https://www.asyl.net/rsdb/M12381
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Schulbesuch, Ausbildung, atypischer Ausnahmefall, Ermessen, Berufsfachschule, Studienfachwechsel
Normen: AufenthG § 16 Abs. 5; AufenthG § 16 Abs. 2
Auszüge:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.

Der Einwand der Antragstellerin, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe unzulässigerweise ein nur vermeintlich ausgeübtes Ermessen überprüft, ist begründet. Den - insoweit maßgeblichen - Gründen des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2007 zufolge hat die Antragsgegnerin darauf abgestellt, dass eine Ausnahme im Falle der von der Antragstellerin gewählten Schule nicht in Betracht komme. Eine Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite hat sie nicht getroffen. Das Verwaltungsgericht hat hingegen darauf abgestellt, dass ein Ermessensfehler nicht ersichtlich sei, und hat bei seiner Überprüfung insbesondere die Vorläufigen Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz herangezogen, die die Antragsgegnerin zum näheren Verständnis dafür angewandt hat, wann eine Ausnahme im Sinne des § 16 Abs. 5 AufenthG in Betracht kommt. Letzteres dürfte zutreffend sein. Dem Grundtypus der Vorschrift nach handelt es sich bei § 16 Abs. 5 AufenthG um eine sog. Koppelungsvorschrift, die auf der Tatbestandsseite den unbestimmten Rechtsbegriff "in Ausnahmefällen" verwendet und auf der Rechtsfolgenseite der Verwaltungsbehörde ein Ermessen eröffnet. Vorschriften dieses Typus, die im Kontext eines Regel-Ausnahme-Schemas der Ausländerbehörde für einzelne Fallgruppen, für Ausnahmefälle oder in begründeten Einzelfällen eine von der Regel abweichende Ermessensentscheidung eröffnen, finden sich im Aufenthaltsgesetz auch an anderer Stelle (vgl. etwa §§ 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1, 37 Abs. 2 Satz 1, 38 Abs. 3). Sie werden allgemein als Koppelungsvorschriften verstanden (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2007, AufenthG § 5 Rn. 1 f., 65 ff.; § 32 Rn. 27 ff.; § 37 Rn. 22 ff; GK-AufenthG, Stand November 2006, § 5 Rn. 5 f., 30, 40, 43; § 38 Rn. 47, 52; Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 5 Rn. 36, § 32 Rn. 28; § 37 Rn. 17; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29.3.1996, InfAuslR 1997, 24 zu §§ 16 Abs. 2, 20 Abs. 3 und 4 AuslG 1990). Der voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegende unbestimmte Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite ist, selbst wenn deren Voraussetzung auf das Merkmal eines "Ausnahmefalles" reduziert ist, durch Auslegung aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen. Besondere Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen der Vorschrift des § 16 Abs. 5 AufenthG die Prüfung des Ausnahmefalls und die Ausübung des Ermessens derart untrennbar miteinander verknüpft sind, dass die Entscheidung nur als einheitliche Ermessensentscheidung begriffen werden könnte, liegen nicht vor. Ein solches Verständnis des § 16 Abs. 5 AufenthG wird weder durch eine ausdrückliche textliche Zuordnung des Ausnahmefalls gerade zur Rechtsfolgenseite (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 13.3.1997, BVerwGE 104, 154 zu § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO) nahegelegt, noch ist aus der Entstehungsgeschichte der Norm erkennbar, dass diese als Ermessensvorschrift konzipiert wäre mit der Besonderheit, dass die Ermessensbetätigung wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit den begrifflichen Merkmalen eines Ausnahmefalls wesentlich durch diese bestimmt würde (zu einer solchen Gestaltung vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 19.10.1971, BVerwGE 39, 355 zu § 131 AO; BVerwG, Urt. v. 5.7.1985, BVerwGE 72, 1 zu § 5 WoBindG).

Die Beschwerde hat aber in der Sache gleichwohl keinen Erfolg. Es ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis zum Besuch der Staatlichen Fremdsprachenschule Hamburg als zweijährige Berufsfachschule für die Kaufmännische Assistenz, Fachrichtung Fremdsprachen, erteilt werden dürfte.

Zum näheren Verständnis des § 16 Abs. 5 AufenthG ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Neuregelung in § 16 AufenthG der Bedeutung des Studienortes Deutschland im internationalen Vergleich Rechnung tragen und es ermöglichen soll, ausländische Studenten und Studienbewerber unter erleichterten Bedingungen und besseren Perspektiven für einen Aufenthalt im Bundesgebiet zu gewinnen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zu § 16: BT-Drs. 15/420, S. 74). Die Vorschrift wurde in Umsetzung der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zwecks Absolvierung eines Studiums oder Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst (Studentenrichtlinie) im Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geändert bzw. erweitert, wobei der hier maßgebliche Absatz 5 unverändert blieb. Während danach mit der Neuregelung des § 16 AufenthG durch das Zuwanderungsgesetz im Allgemeinen eine Erleichterung des Aufenthalts zu Studienzwecken intendiert ist, hat der Gesetzgeber in Absatz 5 klargestellt, dass der Aufenthalt zu Schulzwecken angesichts des allgemeinen und kostenlosen Zugangs zu öffentlichen Schulen auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte (Begründung zu § 16 Absatz 5, a. a. O., S. 74). Mit Blick auf die knappen öffentlichen Mittel soll der kostenlose Besuch des Unterrichts in allgemeinbildenden Schulen vorrangig deutschen Staatsangehörigen sowie den in Deutschland rechtmäßig lebenden Ausländern gewährt werden (Walther in: GK-AufenthG, Stand November 2006, § 16 Rn. 34).

Im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers, den Studienstandort Deutschland zu fördern und im internationalen Vergleich zu stärken, entspricht es dem Zweck des Gesetzes, wenn die gesetzlich auf Ausnahmefälle beschränkte Möglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Schulbesuch als auf die Schulen begrenzt verstanden wird, die den Zugang zu einem Studium i. S. d. § 16 Abs. 1 AufenthG eröffnen. Es dürfte dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, einen Ausnahmefall in Bezug auf den Schultyp nur dann anzunehmen, wenn die angestrebte Schulausbildung zu einer entsprechenden nationalen bzw. internationalen Hochschulzugangsberechtigung führen kann. Mit dieser Auslegung stimmt es überein, wenn die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern (abgedruckt bei Renner, a. a. O., zu § 16) darauf abstellen, dass es sich im Falle staatlicher oder staatlich anerkannter Schulen um eine Schule mit internationaler Ausrichtung handelt und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel nur für die Teilnahme an der Sekundarstufe 2 in Betracht kommt (Ziffern 16.5.2.2.3 und 16.5.2.4; vgl. auch Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand 6/2007, § 16 AufenthG, Rn. 57).

Die von der Antragstellerin gewählte Ausbildung an der Staatlichen Fremdsprachenschule Hamburg erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Im Übrigen dürfte einem Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch die Sperrwirkung des § 16 Abs. 5 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 AufenthG entgegenstehen.