OLG München

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Zitieren als:
OLG München, Beschluss vom 08.01.2008 - 34 Wx 1/08 - asyl.net: M12392
https://www.asyl.net/rsdb/M12392
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Verfahrensmangel, Landgericht, Anhörung, Beschwerde
Normen: FGG § 27 Abs. 1; ZPO § 546
Auszüge:

Dem zulässigen Rechtsmittel ist ein – vorläufiger – Erfolg nicht zu versagen.

Das landgerichtliche Verfahren leidet an einem Verfahrensmangel, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung unumgänglich macht, § 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGG, § 546 ZPO, und zur Zurückverweisung führt, §§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog. Das Landgericht hätte nämlich nicht von der auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich gebotenen Anhörung des Betroffenen absehen dürfen (vgl. dazu BVerfGE 65, 317/322 ff. und jüngst BVerfG vom 14.6.2007, 1 BvR 338/07 Rn. 40).

Auch in der Beschwerdeinstanz ist der Ausländer grundsätzlich mündlich anzuhören (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 5 FreihEntzG; vgl. Senat vom 22.11.2007, 34 Wx 086/07; BayObLGZ 1999, 12/13; OLG Düsseldorf FGPrax 1998, 200; OLG Naumburg FGPrax 2000, 211/212). Das Landgericht darf von der mündlichen Anhörung des betroffenen Ausländers in der Beschwerdeinstanz nur in eng begrenzten Ausnahmefällen absehen (vgl. zuletzt Senat vom 22.11.2007, 34 Wx 086/07; vom 25.10.2007, 34 Wx 125/07, sowie OLG Frankfurt vom 7.4.2003, 20 W 117/03 mit ausführlichen Nachweisen; OLG Köln vom 23.5.2005, 16 Wx 89/05 = AuAS 2005, 147). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Einem betroffenen Ausländer ist insbesondere dann Gelegenheit zu geben, sich mündlich vor dem Beschwerdegericht zu äußern, wenn sich die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts auf neuen Tatsachenstoff stützt, zu dem der Betroffene noch nicht gehört wurde (vgl. Senat vom 22.11.2007, 34 Wx 086/07). Falls nach dem Akteninhalt irgendeine Veranlassung besteht, insbesondere wenn nach dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sich Anhaltspunkte ergeben, die seine Anhörung als sachdienlich erscheinen lassen, ist ihm Gelegenheit zu geben, erneut persönlich zu Wort zu kommen (vgl. BVerfGE 65, 317/322 f.).

Vorliegend ging das Amtsgericht bei seiner Entscheidung, gestützt auf das Vorbringen der Ausländerbehörde, davon aus, dass es sich bei dem Betroffenen sicher um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelt. Erstmals in der Beschwerdeinstanz, auf Einwand des Betroffenen, wurde von der Ausländerbehörde vorgetragen, dass es sich bei dem Betroffenen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen nigerianischen Staatsangehörigen handeln würde und der Erfolg der betriebenen Abschiebung nicht sicher feststehe. Weiterhin stützt das Landgericht seine Entscheidung über das Vorliegen eines begründeten Verdachts, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen, auch auf den im Beschwerdeverfahren erstmals von der Ausländerbehörde vorgetragenen Umstand, dass der Betroffene gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung verstoßen habe. Schon allein aus diesen Gründen war eine Bezugnahme auf die amtsgerichtliche Anhörung nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass das Landgericht erstmals auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG abstellt. Der amtsgerichtliche Beschluss legt sich in dieser Hinsicht nicht fest.