BVerfG

Merkliste
Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 20.12.2007 - 2 BvR 51/07 - asyl.net: M12397
https://www.asyl.net/rsdb/M12397
Leitsatz:

Die Auslieferung nach Weißrussland ist grundsätzlich möglich.

 

Schlagwörter: Weißrussland, Auslieferung, Verfassungsbeschwerde, einstweilige Anordnung, Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit, Auslieferungshindernis, ordre public, Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, VN-Antifolterkonvention, Unterzeichnerstaat, Haftbedingungen, Strafrecht, Drogendelikte, Zusicherung
Normen: BVerfGG § 32 Abs. 1; GG Art. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 25; IRG § 73
Auszüge:

Die Auslieferung nach Weißrussland ist grundsätzlich möglich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag wird abgelehnt, weil er jedenfalls unbegründet ist.

Hier ist die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen, weil eine Verfassungsbeschwerde zwar noch in zulässiger Weise erhoben werden könnte, aber offensichtlich unbegründet wäre.

Eine Verletzung der in der Antragsschrift genannten Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG ist nicht ersichtlich. Die Gerichte haben daher lediglich zu prüfen, ob einer Auslieferung die Verletzung des nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entgegensteht (vgl. BVerfGE 63, 332 337 f.>; 75, 1 19>; 108, 129 136 f.>; BVerfGK 3, 159 163>). Auf der Ebene des einfachen Rechts nimmt § 73 IRG dieses verfassungsrechtliche Gebot auf, indem dort die Leistung von Rechtshilfe und damit auch die Auslieferung für unzulässig erklärt wird, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde.

Die Republik Belarus ist Konventionsstaat des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl 1973 II S. 1533 – IPBR) sowie des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (BGBl 1990 II S. 246 – UN-Antifolterkonvention). Sie hat sich damit – auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls Vertragsstaat der genannten Konventionen ist – völkerrechtlich zur Einhaltung der in diesen Verträgen normierten völkerrechtlichen Standards, zu denen neben dem Schutz vor Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 7 IPBR, Art. 2 und 16 UN-Antifolterkonvention) und der Garantie menschenwürdiger Haftbedingungen (Art. 10 IPBR) auch verfahrensrechtliche Mindestgarantien (Art. 14 IPBR) gehören, verpflichtet. Mit den im Auslieferungsverfahren gegebenen Zusicherungen hat die Republik Belarus diese völkerrechtliche Verpflichtung für den konkreten Fall der Antragstellerin wiederholt und bekräftigt. Daher ist die von dem Oberlandesgericht geäußerte Erwartung, dass die Behandlung der Antragstellerin in der Republik Belarus von der Bundesregierung besonders beobachtet wird, ebenso nachvollziehbar, wie die Annahme, dass ein Verstoß gegen die genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen das gegenseitige Vertrauen als unabdingbare Grundlage des Auslieferungsverkehrs nachhaltig enttäuschen würde (vgl. BVerfGE 108, 129 140 ff.>).

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass davon ausgegangen werden könne, dass die Antragstellerin in der Republik Belarus in einer dem völkerrechtlichen Mindeststandard und dem deutschen ordre public entsprechenden Weise behandelt werde, nicht zu beanstanden. Dies zumal ausweislich der von dem Oberlandesgericht in Bezug genommenen Stellungnahme des Auswärtigen Amtes – von der Antragstellerin insoweit unbestritten – offenbar bisher keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Republik Belarus ihre Zusicherungen nicht einhalten würde. Es ist daher auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht es offenbar nicht für erforderlich gehalten hat, wie von der Antragstellerin gefordert, eine Zusicherung hinsichtlich der Unterbringung der Antragstellerin in einer konkreten Haftanstalt zu fordern. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht aus dem von der Antragstellerin erwähnten, ebenfalls eine Auslieferung an die Republik Belarus betreffenden Beschluss der erkennenden Kammer vom 8. April 2004 (BVerfGK 3, 159). Dort ist nicht etwa ausgeführt, eine Zusicherung einer den völkerrechtlichen Mindestanforderungen genügenden Haftunterbringung genüge generell nicht, eine Auslieferung an die Republik Belarus zu ermöglichen. Vielmehr wurde dort lediglich festgehalten, dass die bloße Möglichkeit, dass die Bundesregierung die Bewilligung von einer solchen Zusicherung abhängig mache, wegen der eingeschränkten verfassungsrechtlichen Überprüfbarkeit der Bewilligungsentscheidung nicht geeignet sei, eine Prüfung sowie gegebenenfalls die Einholung einer entsprechenden Zusicherung bereits im Verfahren über die Zulässigkeit der Auslieferung zu ersetzen (BVerfGK 3, 159 164 f.>).

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass das der Antragstellerin in der Republik Belarus drohende Strafmaß der Auslieferung nicht entgegensteht. Eine Strafdrohung verstößt nicht bereits dann gegen völkerrechtliche Mindeststandards oder die unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung, wenn sie als in hohem Maße hart erscheint, sondern erst dann, wenn die drohende Strafe als unerträglich hart, mithin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr als angemessen anzusehen ist (BVerfGE 75, 1 16 f.>; 113, 154 162>). Dass dies der Fall wäre, ist selbst dann nicht ersichtlich, wenn, wie von der Antragstellerin behauptet, die Strafdrohung mindestens acht Jahre und höchstens zwölf Jahre Freiheitsstrafe beträgt. Nach übereinstimmender Auffassung sowohl der Antragstellerin als auch des Oberlandesgerichts käme auch nach deutschem Strafrecht für entsprechende Drogendelikte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis maximal 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) in Betracht, sofern das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit anzunehmen wäre (§ 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG). Aber auch nach dem Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG sowie des § 263 Abs. 1 StGB für die Betrugsdelikte können die der Antragstellerin zur Last gelegten Taten nach deutschem Recht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Die Strafdrohung in der Republik Belarus mag daher aus der Perspektive des deutschen Rechtsverständnisses als hart erscheinen, übermäßig hart und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr angemessen ist sie jedoch nicht.