VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Beschluss vom 19.12.2007 - AN 9 S 07.30777 - asyl.net: M12400
https://www.asyl.net/rsdb/M12400
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, Sunniten, Gruppenverfolgung, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, interne Fluchtalternative, Nordirak, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, ernstliche Zweifel
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5; AsylVfG § 36 Abs. 4; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

Der zulässige Antrag, gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die im angefochtenen Bundesamtsbescheid verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung anzuordnen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG), ist begründet.

Im vorliegenden Fall bestehen ernstliche Zweifel an der Abschiebungsandrohung des angefochtenen Bundesamtsbescheids, denn im Rahmen der summarischen Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergibt sich hinsichtlich einer Verfolgung des sunnitischen Antragstellers durch nicht staatliche Akteure eine neue Sachlage im Sinne der § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, welche dazu führt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen. Zu Unrecht ist deshalb durch die Antragsgegnerin der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie die beantragte Abänderung des früheren Bescheides vom 20. April 2006 hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen abgelehnt worden. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für den seitens des Antragstellers gestellten Folgeantrag liegen vor. Die Zugehörigkeit des Antragstellers zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft und die Frage einer hieraus resultierenden Gefährdung bis hin zur Frage einer etwaigen Gruppenverfolgung ist ein dynamischer Prozess, bei dem weder Anfang noch Ende eindeutig bestimmt werden können. Besonderer Bedeutung kommt hierbei dem Urteil des BayVGH vom 14. November 2007 - 23 B 07.30496 - zu, wonach Sunniten im Zentralirak zum maßgeblichen Zeitpunkt der dortigen Entscheidung (§ 77 AsylVfG) einer Gruppenverfolgung wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit unterliegen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG bei einer bloßen Änderung der Rechtsprechung eines Obergerichts nicht gegeben sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.05.1995 - 1 B 60/95 - NVwZ 1995, 1097–1098; VGH München, Beschluss vom 10.1.2002 - 23 B 01.31238 -; VGH Mannheim, Beschluss vom 24.11.2000 - A 6 S 672/99 VGHBW-Ls 2001, Beilage 3, B 3). Um einen solchen Fall handelt es sich jedoch nicht, denn die zitierte Entscheidung des BayVGH beinhaltet keine Rechtsprechungsänderung im engeren Sinn – also der anderen Auslegung eines Rechtssatzes (etwa der Voraussetzungen der Gruppenverfolgung) –, sondern eine (andere) Beurteilung der sich einem Tatsachengericht aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen ergebenden Sachlage.

Das erkennende Gericht schließt sich der Einschätzung des BayVGH in seinem Urteil vom 14. November 2007 an.