VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Beschluss vom 18.12.2007 - 5 L 1004/07.TR - asyl.net: M12403
https://www.asyl.net/rsdb/M12403
Leitsatz:
Schlagwörter: Nigeria, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, HIV/Aids, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, offensichtlich unbegründet, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 36 Abs. 4; AufenthG § 59 Abs. 3
Auszüge:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gegen die in Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin enthaltene Aufforderung zum Verlassen des Bundesgebietes binnen einer Frist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung und die für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise angedrohte Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat, in den die Antragstellerin einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig.

Der Antrag führt indessen in der Sache nur teilweise zum Erfolg.

Vorliegend steht der Antragstellerin offensichtlich weder ein Anspruch auf Anerkennung als asylberechtigt noch ein solcher auf Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft zur Seite, denn das Vorbringen der Antragstellerin über die Geschehnisse im Zusammenhang mit ihrem Verlassen des Heimatstaates Nigeria ist offensichtlich nicht glaubhaft.

Indessen spricht im Fall der Antragstellerin viel für das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

An diesen Maßstäben ist das Vorbringen der Antragstellerin zu messen, dass im Rahmen der bei ihr durchgeführten üblichen Schwangerschaftsvorsorge festgestellt worden sei, dass sie HIV-positiv infiziert sei, und sie deshalb bei einer Rückkehr nach Nigeria erheblichen Gefahren ausgesetzt sei. Allerdings muss gesehen werden, dass in Nigeria nach offiziellen Schätzungen ca. 5% der Bevölkerung HIV-positiv infiziert sind (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 6. November 2007 - 508516.80/3 NGA -), so das

die Gefahr, die sich aus dem Auftreten von HIV-Infektionen ergibt, möglicherweise "allgemein" im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist, weil sie eine Vielzahl von Personen betrifft, und deshalb die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Norm in Verbindung mit § 60a AufenthG verdrängt wird.

Jedoch ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in den Fällen, in denen die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Norm in Verbindung mit § 60a AufenthG verdrängt wird, weil dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht, gleichwohl Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung auch dann gewährt werden muss, wenn im Abschiebezielstaat für den Ausländer (entweder auf Grund der allgemeinen Verhältnisse oder auf Grund von Besonderheiten im Einzelfall) landesweit eine extrem zugespitzte Gefahr wegen einer notwendigen, aber nicht erlangbaren medizinischen Versorgung zu erwarten ist, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006, a.a.O.).

Ausgehend hiervon ist das Gericht unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen zunächst der Ansicht, dass bei überschlägiger Prüfung alles dafür spricht, dass die derzeit schwangere Antragstellerin HIV-positiv infiziert ist. Des Weiteren spricht sehr viel dafür, dass der Antragstellerin deshalb bei einer Rückkehr nach Nigeria extreme Gefahren drohen, denn die Gesundheitsversorgung in Nigeria ist, vor allem auf dem Lande, mangelhaft. Zwar finden Rückkehrer in den Großstädten eine ausreichende medizinische (Grund-)Versorgung vor, da es sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser gibt. Da indessen die Patienten ihre Behandlung stets selbst bezahlen müssen und Hilfsorganisationen, die für Not leidende Patientinnen und Patienten die Kosten übernehmen, nicht bekannt sind, können aufwendigere Behandlungsmethoden, wie die Behandlung von HIV/Aids, die zwar theoretisch möglich sind, von dem Großteil der Bevölkerung nicht finanziert werden (so das Auswärtige Amt in seinem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria vom 6. November 2007 508516.80/3 NGA ).