VGH Bayern

Merkliste
Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 13.12.2007 - 19 B 06.393 - asyl.net: M12412
https://www.asyl.net/rsdb/M12412
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Integrationskurs, Fahrtkostenzuschuss, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz
Normen: IntV § 4 Abs. 3; AufenthG § 44 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; IntV § 4 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 2; IntV § 4 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 3; IntV § 9 Abs. 2
Auszüge:

Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet, weil die Klin. nicht vom Regelungsbereich des § 4 Abs. 3 IntV erfasst wird und deshalb kein Ermessen des Bundesamtes auf Gewährung des begehrten Fahrtkostenzuschusses eröffnet ist. Insoweit verkennt die Klin. die Systematik der bundesgesetzlich normierten Durchführung von Integrationskursen (§§ 43 ff. AufenthG) sowie die darauf beruhende Regelung des Verordnungsgebers in § 4 IntV.

In § 44 AufenthG hat der Gesetzgeber die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs sowie Ausnahmen hiervon geregelt.

Im Sinne eines Förderns und Forderns ist der Gesetzgeber weitergegangen und hat in § 44 a AufenthG auch eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs geschaffen, insoweit jedoch zwischen einer gesetzlichen und einer durch Teilnahmeaufforderung der Ausländerbehörde begründeten Pflicht differenziert.

Die IntV greift die dargestellten Differenzierungen des AufenthG auf. Danach sind teilnahmeberechtigt u.a. Ausländer, die einen gesetzlichen Teilnahmeanspruch nach § 44 AufenthG haben (Neuzuwanderer, die gemäß § 44 a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gleichzeitig zur Teilnahme verpflichtet sind), sowie Ausländer, die nach § 44 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG im Einzelfall durch die Ausländerbehörde zur Teilnahme verpflichtet worden sind (sog. Bestandsausländer). Lediglich an letzteren Tatbestand knüpft die weitere Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 IntV an, wonach die Ausländerbehörde eine Teilnahmeberechtigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IntV nur begründen darf, wenn ein Kursplatz verfügbar und zumutbar erreichbar ist. Die Integrationskursverordnung wiederholt insoweit die in § 44 a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen für eine behördliche Verpflichtung sog. Bestandsausländer. Für diesen Personenkreis eröffnet § 4 Abs. 3 S. 5, 6 IntV schließlich die Möglichkeit, dass bei fehlendem ortsnahen Kursangebot das Bundesamt einen Fahrtkostenzuschuss gewährt.

2.2 Im gegebenen Fall hat die zur Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen eingereiste Klin., die als dessen Ehefrau erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1, 2 AufenthG erhalten hat und die sich absehbar dauerhaft in der Bundesrepublik aufhält, gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 b) AufenthG einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs. Als Anspruchberechtigte gemäß § 44 AufenthG ist sie nach § 44 a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch gesetzlich zur Kursteilnahme verpflichtet und schließlich im Sinne § 4 Abs. 1 Nr. 1 IntV teilnahmeberechtigt. Als Neuzuwanderin fällt sie jedoch nicht unter den Personenkreis der behördlich zur Kursteilnahme verpflichteten sog. Bestandsausländer im Sinne § 44 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Nr. 4 IntV. Auf diesen allein bezieht sich jedoch – wie ausgeführt – die weitere Regelung des § 4 Abs. 3 IntV. Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 5, 6 IntV, der die Gewährung eines Fahrtkostenzuschusses bei fehlendem ortsnahen Kursangebot durch das Bundesamt ermöglichen soll, ist somit nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und der Systematik des Gesetzes auf die Klin. nicht anwendbar.

2.3 Die dagegen insbesondere im Berufungsverfahren zahlreich vorgebrachten Einwände der Klin. führen zu keinem anderen Ergebnis, vielmehr geht sie zum Teil von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen aus oder zieht unzutreffende Schlussfolgerungen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für eine systematische oder teleologische Auslegung bzw. analoge Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 5, 6 IntV überhaupt noch Raum bleibt, nachdem sich das Bundesministerium des Innern als federführende Behörde der Bundesregierung als Verordnungsgeber mit Schreiben vom 1. Juni 2006 dahingehend geäußert hat, dass die Differenzierung hinsichtlich Neuzuwanderern und sog. Bestandsausländern in dieser Vorschrift an die entsprechende Differenzierung des Bundesgesetzgebers in §§ 44, 44 a AufenthG anknüpft und bewusst in dieser Form geregelt worden ist. Denn aufgrund des klägerischen Vorbringens ist jedenfalls keine andersartige Auslegung oder Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 5, 6 IntV geboten:

Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber in Kapitel 3 des Aufenthaltsgesetzes einen Rechtsgrundlage für die Eingliederung aller betroffenen Personengruppen getroffen hat, jedoch keineswegs einheitlich, wie die Klin. meint. So geht sie unzutreffend davon aus, dass Ausländer sowohl nach § 44 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 als auch noch Nr. 2 AufenthG von der Ausländerbehörde "verpflichtet" würden.

Die differenzierende Regelung hinsichtlich Neuzuwanderern und sog. Bestandsausländern stellt auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) oder des sog. Willkürverbots dar. Vielmehr knüpft der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an unterschiedliche Sachverhalte an und regelt diese verschieden.

Soweit die Klin. auf die Regelung zur Kostenfreiheit gemäß § 9 Abs. 2 IntV verweist, betrifft dies allein die Leistung des – nicht unerheblichen – Kostenbeitrags für den Integrationskurs selbst. Hiervon ist die Klin. als Empfängerin von Leistungen nach SGB II unstreitig auch befreit worden.