VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 12.12.2007 - 24 B 06.2381 - asyl.net: M12416
https://www.asyl.net/rsdb/M12416
Leitsatz:

Die eheliche Lebensgemeinschaft wird nicht beendet, wenn ein Ehegatte zwar gegenüber einer Behörde erklärt, dauerhaft getrennt zu leben, tatsächlich aber die Erklärung auf anderen Motiven beruht und keine dauerhafte Trennung beabsichtigt ist.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, nachträgliche Befristung, Ehegattennachzug, eigenständiges Aufenthaltsrecht, eheliche Lebensgemeinschaft, Aufenthaltsdauer
Normen: AufenthG § 7 Abs. 2 S. 2; AufenthG § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Auszüge:

Die eheliche Lebensgemeinschaft wird nicht beendet, wenn ein Ehegatte zwar gegenüber einer Behörde erklärt, dauerhaft getrennt zu leben, tatsächlich aber die Erklärung auf anderen Motiven beruht und keine dauerhafte Trennung beabsichtigt ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zugelassene Berufung ist zulässig und begründet.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann eine befristete Aufenthaltserlaubnis nachträglich zeitlich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung oder die Verlängerung wesentliche Voraussetzung entfallen ist.

Der Senat ist – insbesondere aufgrund der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2007 – zu der Auffassung gelangt, dass dem Kläger ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zusteht.

Nach Auffassung des Senats bestand die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner Ehefrau, von der er auch derzeit noch nicht geschieden ist, durchgehend vom 29. August 2002 bis zum Dezember 2004.

Die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau endete entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht bereits mit der Abmeldung durch die Ehefrau am 15. August 2003. Eine eheliche Lebensgemeinschaft i.S. des § 31 Abs. 1 AufenthG besteht nämlich erst dann nicht mehr, wenn die Ehegatten auf Dauer getrennt leben. Dabei ist nicht die formale Beendigung der Ehe entscheidend, die hier ohnehin noch nicht erfolgt ist, da die Eheleute bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geschieden sind. Entscheidend ist vielmehr, da das Gesetz auf den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft abstellt, wann die tatsächliche Verbundenheit der Ehegatten, die regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommt (Hailbronner, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, RdNr. 11 zu § 31), geendet hat.

Die Abgrenzung einer – für die Berechnung der Zweijahresfrist unschädlichen – vorübergehenden von einer – für die Berechnung der Zweijahresfrist schädlichen – dauernden Trennung kann im Einzelfall schwierig sein. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, die einer wertenden Beurteilung unterliegen (BayVGH vom 25.7.2006 Az. 24 B 05.859). Bei einer längeren Trennung erscheint es wahrscheinlich, diese sei dauerhaft gewesen, selbst wenn die Ehegatten anschließend wieder in ehelicher Gemeinschaft leben (BayVGH vom 29.2.2000 InfAuslR 2000, 402). Ein Streit zwischen den Ehegatten mit anschließendem Auszug eines Ehepartners beseitigt nicht in jedem Fall die eheliche Lebensgemeinschaft (vgl. BayVGH vom 9.2.2001 InfAuslR 2001, 279). Eine spätere Versöhnung und Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft schließt andererseits die Annahme einer zuvor bereits eingetretenen endgültigen Trennung nicht aus. Ob eine Trennung der Ehegatten als endgültig oder nur vorübergehend anzusehen ist, kann nicht ohne weiteres bereits im Zeitpunkt einer im Streit erfolgten Trennung der Ehegatten beurteilt werden. Deshalb darf die Ausländerbehörde während eines Zeitraums, innerhalb dessen die Trennung noch nicht abschließend als endgültig beurteilt werden kann, nicht in den rechtlich geschützten Bestand einer Ehe eingreifen. Sie darf keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen treffen, solange die endgültige Trennung der Eheleute nicht feststeht. Gleichermaßen darf sie eine Aufenthaltserlaubnis nicht nachträglich zeitlich verkürzen, wenn sich trotz gewisser Anzeichen im Nachhinein herausstellt, dass eine dauernde Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft weder beabsichtigt wurde noch tatsächlich stattgefunden hat. Ob eine eheliche Lebensgemeinschaft endgültig beendet ist, kann aufgrund der Dauer des Getrenntlebens, den Erklärungen der Ehegatten gegenüber der Ausländerbehörde und im Ehescheidungsverfahren sowie aufgrund sonstiger Anhaltspunkte (z.B. Scheidungsantrag, entsprechende Eintragung in der Lohnsteuerkarte, Umzugsmeldungen, Bekundungen von Zeugen, Eingehen einer anderen festen Beziehung) festgestellt werden (vgl. BayVGH vom 7.3.2006 Az. 24 C 06.275).

Legt man dem vorliegenden Fall diese Kriterien zu Grunde, so ergibt sich insbesondere aufgrund der Erklärungen der Ehefrau des Klägers sowohl im erstinstanzlichen als auch im Berufungsverfahren sowie der Aussage des Klägers selbst vor dem Verwaltungsgericht, dass die eheliche Lebensgemeinschaft im Jahr 2003 noch nicht dauerhaft beendet war. Die damalige Erklärung der Ehefrau, von der der Kläger erst später erfahren hat, beruhte ganz offensichtlich auf einem Streit zwischen den Ehegatten und sollte nicht das dauernde Ende der Ehe dokumentieren. Vielmehr hatte sich die Ehefrau, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2007 überzeugend ausgesagt hat, über den Kläger geärgert, da sie mit der Wochenendbeziehung nicht einverstanden war und der Kläger darüber hinaus etwa zwei bis drei Wochen nicht mehr bei ihr gewesen ist.

Entgegen dieser Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach der tatsächliche Wille der Eheleute entgegenstehende tatsächliche Anhaltspunkte nicht mehr zu revidieren vermag, kann dies wohl nur für den umgekehrten Fall gelten. Besteht der Wille auch nur eines Ehepartners, die eheliche Gemeinschaft dauerhaft zu beenden und manifestiert sich dieser Wille durch Erklärungen nach außen, kann von einer dauernden Trennung ausgegangen werden. Bestand aber von beiden Ehepartnern nicht die Absicht, die eheliche Lebensgemeinschaft endgültig zu beenden, sondern beruhen entsprechende Erklärungen auf anderen Motiven, lässt sich der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss nicht ziehen. In einem solchen Fall liegen zwar irreführende, womöglich auch falsche Angaben gegenüber einer Behörde vor, letztendlich ist aber gerade keine dauerhafte Trennung der Ehegatten gewollt und auch nicht erfolgt. Ein solcher Fall ist hier gegeben.