VG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 23.11.2007 - 10 K 17/07 - asyl.net: M12484
https://www.asyl.net/rsdb/M12484
Leitsatz:
Schlagwörter: Syrien, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Ehrenmord, Zwangsheirat
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu.

Aus dem ausführlichen Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 22.12.2006 an VG Mainz ergibt sich, dass der sogenannte Ehrenmord gewissermaßen reserviert sei für Tabuverstöße von Mädchen, die die Ehre der Familie berührten. Darunter seien alleine vorehelicher Sex und eheliche Untreue zu verstehen. Eine derartige Situation liege dann nicht vor, wenn es sich um den "Fall einer völlig normalen, ja sogar erwartungsgemäßen, wahrscheinlich sogar von Anfang an geplanten Verehelichung" handele, in denen für den Vater selbst dann, wenn die Tochter dessen Verheiratungspläne durchkreuze, kein Grund vorhanden sei, die Tochter umzubringen. Dies sei sozial gesehen für den Vater "nicht durchstehbar". Dazu müsse man wissen, dass diese Ehrenmorde ja gerade deshalb geschähen, weil sie letztlich von den sozialen und traditionellen Vorstellung gedeckt seien und deshalb die Mörder nicht belangt würden, sondern der Mantel des allgemeinen Schweigens darüber gedeckt werde.

Diese Situation ist der vorliegende Fall durchaus zuzuordnen, da die von der Klägerin behauptete Ehe gerade von ihren Eltern und den Eltern des syrischen Mannes, von dem sie in der Bundesrepublik Deutschland ein Kind empfangen hat, arrangiert worden ist. Auch wenn sie durch die Trennung von diesem die Ehepläne ihrer Eltern durchkreuzt haben sollte, stellt dies nach der Auskunftslage ersichtlich keinen Grund dar, eine Gefährdung durch ihre eigene Familie an Leib und Leben oder Freiheit bei Rückkehr anzunehmen, wie dies die Klägerin darzulegen sucht. Dies insbesondere, wenn der klägerische Vortrag zutrifft, dass der ihr verehelichte Mann am ganzen Körper an einer Hauterkrankung leidet und den ehelichen Geschlechtsverkehr erzwungen hat. Nach den Angaben von Savelsberg, Europäisches Zentrum für kurdische Studien, Berlin, vom 18.03.2005, droht der Klägerin zwar, dass ihr, wie in traditionellen syrischen Kreisen üblich, grundsätzlich das Scheitern der Ehe angelastet wird und nicht ihrem Ehemann. Scheidungen bzw. Trennungen würden "für Frauen" als "Schande", mit der Folge, dass geschiedene/getrennte Frauen gesellschaftlich ausgegrenzt werden, gelten. Dies sei in traditionellen Kontexten gerade dann der Fall, wenn die Frau während ihrer Ehe geschlagen oder sogar vergewaltigt worden sei. Dies vorausgesetzt, geht aus der Auskunft indes nicht hervor, dass in einer derartigen Situation eine Gefährdung von Leib und Leben der Frau zu erwarten ist. Nichts anderes gilt für eine Gefährdung unter dem Gesichtspunkt einer von der Klägerin befürchteten "Zwangsehe".