VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2008 - 13 S 3102/07 - asyl.net: M12548
https://www.asyl.net/rsdb/M12548
Leitsatz:

Nach der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis lässt die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht entfallen.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Ablehnung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Rechtsschutzbedürfnis, Duldung, Fortgeltungsfiktion, Vollziehbarkeit, Ausreisepflicht, örtliche Beschränkung, Erwerbstätigkeit
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 3; AufenthG § 84 Abs. 2; AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

Nach der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis lässt die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht entfallen.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die rechtzeitig erhobene (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat sachlich keinen Erfolg; das Beschwerdevorbringen, das den Prüfungsauftrag des Senats begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt nicht dazu, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts wie beantragt abzuändern und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 7.9.2007 abzulehnen wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zum früheren Ausländerrecht entschieden hat (siehe Beschluss vom 15.7.1993 - 11 S 216/93 -, NVwZ-RR 1994, S. 116) und wie es auch für das jetzt geltende Recht soweit ersichtlich unbestritten ist (siehe VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.11.2007 - 13 S 1928/07 - m.w.N. und Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, je m.w.N.), bedeutet eine positive Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO - wenn zuvor mit der Rechtsfolge der §§ 81 Abs. 3, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein Aufenthaltserlaubnisantrag abgelehnt worden war -, dass zwar die Fiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG nicht wieder auflebt, dass aber jedenfalls aus der Aufenthaltserlaubnisablehnung keine negativen Rechtsfolgen mehr gezogen werden dürfen (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG: unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung). Der Antragsteller ist dann mit anderen Worten rechtlich so zu behandeln wie wenn die frühere Fiktionswirkung des Antrags weiterbestehen würde. Zwischen dem Rechtsinstitut der Duldung, das auf der Grundlage eines illegalen Aufenthalts lediglich einen in der Regel zeitlich und örtlich begrenzen Verzicht der Ausländerbehörde auf die Durchführung von Vollstreckungs- bzw. Abschiebungsmaßnahmen darstellt, und der "Quasi-Fiktion" eines Aufenthaltstitels, wie sie aufgrund der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis entsteht, bestehen damit erhebliche rechtliche Unterschiede. Bei einem positiven Ausgang des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis entfällt zudem die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.7.1993, a.a.O. und für die Duldung Hailbronner, Ausländerrecht, Rdnr. 71 zu § 60a), und zeitliche oder örtliche Einschränkungen wie die hier der Duldung beigefügten gelten nicht. Abgesehen davon kann es nicht nur ausländerrechtlich, sondern auch für den Arbeitsmarktzugang (vgl. § 10 BeschVfV) und für die sozialen Rechte von Ausländern (siehe dazu z.B. Blechinger/Weißflog, Das neue Zuwanderungsrecht, Kap. 10.6.1.3 zu den neuen Kindergeldregelungen) von großer Relevanz sein, ob ein bloßer geduldeter Aufenthalt vorliegt oder ob der Ausländer aus Rechtsgründen (Art. 19 Abs. 4 GG) so zu behandeln ist, als sei er im Besitz der fiktiven Aufenthaltserlaubnis.

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO - gerichtet aus Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis - würde lediglich dann entfallen, wenn die Behörde von sich aus nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO die Vollziehung der angefochtenen (sofort vollziehbaren) Entscheidung aussetzen würde; hierzu ist sie - sofern Bundesrecht nicht entgegensteht - in allen Fällen des gesetzlichen Wegfalls der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 VwGO, hier also auch bei Entscheidungen nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, berechtigt (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO).