OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 06.02.2008 - 22 W 16/06 - asyl.net: M12569
https://www.asyl.net/rsdb/M12569
Leitsatz:

Die Verhängung von Abschiebungshaft ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer im europäischen Ausland einen Asylerstantrag gestellt hat.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Abschiebungshaft, Asylantrag, Verordnung Dublin II, Gleichheitsgrundsatz
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; AsylVfG § 14 Abs. 3
Auszüge:

Die Verhängung von Abschiebungshaft ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer im europäischen Ausland einen Asylerstantrag gestellt hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Kammer hat die Voraussetzungen der Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG für gegeben erachtet, ohne auf die vom Betroffenen bereits im Beschwerdeverfahren behauptete Asylantragsstellung in Belgien einzugehen und diese zu würdigen. Hierbei hat sie außer Acht gelassen, dass die erstmalige Stellung eines Asylantrags aus der Freiheit heraus wegen des Umkehrschlusses aus § 14 Abs. 3 AsylVerfG die Anordnung von Abschiebungshaft hindert. Diese für den Fall einer Asylantragsstellung in Deutschland geltende Regelung findet nach Auffassung des Senats auch für Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereichs der VO 343/06 (Dublin II) Anwendung, wenn aufgrund dieser eine Zuständigkeit deutscher Behörden für die Bearbeitung des Asylverfahrens begründet ist. Zwar sieht innerhalb der VO 343/06 nur deren Art. 4 Abs. 4 Satz 2 eine ausdrückliche Gleichstellung von Asylanträgen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes vor. Die Stellung eines Asylantrages führt auch nicht automatisch dazu, dass Abschiebungshaft per se unzulässig ist (§ 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVerfG). Allerdings gebieten europarechtliche Bewertungen eine Gleichbehandlung der vorliegenden Konstellation mit der innerstaatlichen Regelung. So sieht bereits der EG-Vertrag für den Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts die Annahme von einheitlichen Maßnahmen im Bereich des Asyls vor. Die Harmonisierung des Asylrechts ist ein erklärtes Ziel der Europäischen Union. Entsprechend sieht auch § 22a AsylVerfG eine Gleichstellung eines Ausländers, der auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Durchführung eines Asylverfahrens übernommen wird, mit einem Ausländer, der in Deutschland um Asyl nachsucht, vor.

Die Kammer wird nunmehr insbesondere mittels Beiziehung der Ausländerakte aufzuklären haben, ob der Betroffene tatsächlich in Belgien einen Erstasylantrag gestellt hat, der aufgrund der VO 343/06 von deutschen Behörden zu bearbeiten gewesen ist und der zu einer Unzulässigkeit der Abschiebungshaft geführt haben könnte.