VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.02.2008 - A 8 S 136/05 - asyl.net: M12587
https://www.asyl.net/rsdb/M12587
Leitsatz:

Unter Aufgabe seiner bisherigen Auffassung (u.a. im Urteil vom 03.06.2005 - A 8 S 199/04 -) schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 02.08.2007 - 10 C 13.07 - DVBl. 2007, 1568 = AuAS 2008, 6) an, wonach die Feststellung eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftsstaates - anders als beim asylrechtlichen Abschiebungsschutz - nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Asylbewerber Schutz in einem anderen Staat finden kann, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, unter Umständen dem Kläger in einem derartigen Fall aber das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann.

 

Schlagwörter: Nordkorea, Südkorea (A), Staatsangehörigkeit, anderweitige Verfolgungssicherheit, Existenzminimum, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Rechtsschutzinteresse, subsidiärer Schutz, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisemöglichkeit, freiwillige Ausreise, Zumutbarkeit, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; AufenthG § 25 Abs. 3
Auszüge:

Unter Aufgabe seiner bisherigen Auffassung (u.a. im Urteil vom 03.06.2005 - A 8 S 199/04 -) schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 02.08.2007 - 10 C 13.07 - DVBl. 2007, 1568 = AuAS 2008, 6) an, wonach die Feststellung eines ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftsstaates - anders als beim asylrechtlichen Abschiebungsschutz - nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Asylbewerber Schutz in einem anderen Staat finden kann, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, unter Umständen dem Kläger in einem derartigen Fall aber das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, der gemäß § 87b AsylVfG im vorliegenden Verfahren weiterhin beteiligt ist, ist zulässig und begründet.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG.

Der Senat hat zum Abschiebungsschutz für nordkoreanische Staatsangehörige insgesamt u.a. in seinem dem Kläger sowohl mit der Anhörungsmitteilung zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO vom 16.1.2006 wie auch mit der Terminsladung vom 16.1.2008 übersandten Urteil vom 3.6.2005 - A 8 S 199/04 - ausgeführt: ...

Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der mit der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Artikels "Frei, aber einsam" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21.11.2006 und des Berufungsvorbringens des Klägers insoweit fest, als der Kläger den flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) erstrebt.

Es bietet deshalb keinen Anlass, die Rechtsprechung des Senats zum (flüchtlingsrechtlichen) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG in Frage zu stellen, dass Südkorea für nordkoreanische Staatsangehörige einen ihrer (weiteren) Staatsangehörigkeit entsprechenden Schutzraum darstellt, der für sie erreichbar und zumutbar ist, weshalb ein Anspruch auf Schutzgewährung unter diesem Gesichtspunkt in Deutschland nicht in Betracht komme.

II. Dagegen hält der Senat an seiner u.a. in dem angeführten Urteil vom 3.6.2005 - A 8 S 199/04 - vertretenen Auffassung, gleiches gelte für den ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher: § 53 AuslG), nicht fest. Dieses Schutzbegehren ist ohne gesonderte Zulassung der Berufung durch den Erfolg des Rechtsmittels des Beteiligten gegen die im ersten Rechtszug ausgesprochene Verpflichtung, flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsschutz zu gewähren (s.o. I.), in der Berufungsinstanz angefallen (BVerwG, Urteil vom 15.4.1997 - 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 60; Beschluss vom 27.10.2006 - 1 B 153.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 23). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem - eine Entscheidung des erkennenden Senats vom 9.1.2006 - betreffenden Urteil vom 2.8.2007 (- 10 C 13.07 - DVBl. 2007, 1568 = AuAS 2008, 8), das im wesentlichen zu derselben Fallkonstellation wie die vorliegende ergangen war, zu diesem Schutzbegehren ausgeführt: ...

Dem schließt sich der Senat an. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen das auch diesen aufenthaltsrechtlichen Abschiebungsschutz zusprechende Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Erfolg hat. Denn die Klage ist insoweit unzulässig, weil der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in demselben Urteil vom 2.8.2007 kein schutzwürdiges Interesse daran hat, seinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Nordkorea gerichtlich durchzusetzen. Die begehrte Feststellung brächte ihm nämlich keine Vorteile. Eine Abschiebung nach Nordkorea hat der Kläger nach den ausdrücklichen Ausführungen des Bundesamts im Ablehnungsbescheid nicht zu befürchten. Eine (positive) Feststellung würde auch seinen aufenthaltsrechtlichen Status nicht verbessern. Zwar würde er damit die (Regel-)Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllen. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ist die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis jedoch ausgeschlossen, wenn dem Ausländer die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist. Nach den unter I. getroffenen Feststellungen ist dem Kläger eine Ausreise nach Südkorea, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, aber ohne weiteres möglich und zumutbar. Insofern hätte der Kläger mit der von ihm erstrebten Feststellung nichts gewonnen.

III. Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 11.3.2003 nicht zu beanstanden. Die Androhung der Abschiebung in den aus dessen Sicht u. a. wegen fehlender Ausweispapiere ungeklärten "Herkunftsstaat" enthält zwar keine ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung, sondern lediglich einen unverbindlichen Hinweis (BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 - 9 C 42.99 - BVerwGE 111, 343). Das macht sie jedoch nicht rechtswidrig. Vielmehr muss in einem solchen Fall nach endgültiger Klärung des Herkunftsstaats dem betroffenen Ausländer dieser so rechtzeitig vor der Abschiebung mitgeteilt werden, dass er hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann (BVerwG, a.a.O.). Auf den Kläger bezogen bedeutet dies, dass ihm vor einer Abschiebung etwa nach Südkorea, das aus heutiger Sicht als einziges Zielland in Betracht kommt, dieses benannt und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, sich - notfalls unter Inanspruchnahme der Gerichte - gegen eine Abschiebung gerade dorthin zur Wehr zu setzen.