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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 29.01.2008 - 10 B 83.07 - asyl.net: M12648
https://www.asyl.net/rsdb/M12648
Leitsatz:
Schlagwörter: Revisionsverfahren, grundsätzliche Bedeutung, Entscheidungserheblichkeit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Anerkennungsrichtlinie, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, allgemeine Gefahr, Afghanistan, Kabul, interner Schutz
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 8; AufenthG § 60 Abs. 11
Auszüge:

Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den geltend gemachten Zulassungsgrund bereits nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar (1.).

Die Beschwerde geht zwar zutreffend davon aus, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts die Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie in den Mitgliedstaaten wegen des Ablaufs der Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 bereits unmittelbar anzuwenden war. Sie legt jedoch nicht – wie erforderlich – dar, dass und inwiefern es auf die von ihr aufgeworfenen Fragen auf der Grundlage der für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) in dem angestrebten Revisionsverfahren ankäme. Die Beschwerde will in erster Linie geklärt wissen, ob bei Vorliegen allgemeiner Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, a.a.O.) der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ausgeschlossen ist. Diese Frage könnte sich im Falle des Klägers nur dann stellen, wenn nach den Feststellungen des Berufungsgericht zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie im Übrigen vorlägen, wegen des Umstandes, dass es sich um Gefahren handelt, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Kläger angehört, allgemein ausgesetzt sind, ein solcher Anspruch aber verneint worden wäre. Dass dies der Fall ist, legt die Beschwerde indes nicht dar. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, den Art. 15 Buchst. c der Richtlinie voraussetzt, jedenfalls für den Raum Kabul nicht festgestellt. Wie die Beschwerde selbst vorträgt, hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass berichtete bewaffnete Aktionen und gewalttätige Ausschreitungen, die auf einen bewaffneten Konflikt hinwiesen und sich in diesen einfügen könnten, zwar zunähmen, vor allem im Süden und Südosten des Landes; sie prägten bezogen auf Kabul die Gesamtsituation jedoch nicht, jedenfalls nicht im Sinne einer schon als ernsthaft zu bewertenden Bedrohung (BA S. 12 f.). In einer Gesamtschau der Sicherheitslage in Kabul bleibe danach festzuhalten, dass die Beeinträchtigungen nicht geprägt seien durch bewaffnete Konflikte, sondern durch kriminelles Geschehen (BA S. 13). Nach diesen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen könnte im Revisionsverfahren schon mangels drohender willkürlicher Gewalt "im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger im Raum Kabul ein ernsthafter Schaden im Sinne dieser Bestimmung droht. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für einen subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie auch wegen des allgemeinen Charakters der dem Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul drohenden Gefahren zu verneinen wäre (vgl. jetzt § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG), käme es schon aus diesem Grunde in einem Revisionsverfahren nicht an.

Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe den Kläger zu Unrecht auf eine Rückkehr nach Kabul verwiesen, weil der nationale Gesetzgeber mangels Umsetzung von der durch Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie eröffneten Möglichkeit, das Konzept des internen Schutzes zu übernehmen, noch keinen Gebrauch gemacht habe, greift dieses Argument schon deshalb nicht mehr durch, weil in dem angestrebten Revisionsverfahren nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts maßgebliche Rechtslage abzustellen wäre und der Gesetzgeber inzwischen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) in dem neuen § 60 Abs. 11 AufenthG auch für den hier streitigen subsidiären Schutz u. a. Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie für anwendbar erklärt hat. Im Übrigen könnten sich in diesem Zusammenhang allenfalls etwaige Fragen zur Auslegung von Art. 8 der Richtlinie stellen; derartige Fragen hat die Beschwerde indes nicht aufgeworfen.