VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 10.01.2008 - 11 A 443/07 - asyl.net: M12678
https://www.asyl.net/rsdb/M12678
Leitsatz:

Verzichten die Eltern gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung des Asylverfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Ausreisefrist, Antragsfiktion, Asylantrag, Verzicht, Asylverfahren
Normen: AsylVfG § 38 Abs. 1; AsylVfG § 14a Abs. 3; AsylVfG § 38 Abs. 2
Auszüge:

Verzichten die Eltern gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung des Asylverfahrens, beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die im Bescheid des Bundesamtes festgesetzte Ausreisefrist, die isoliert aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 2001 - 9 C 22.00 BVerwGE 114, 122 <124 f.>), ist dagegen rechtswidrig.

Es findet nämlich die Auffangregelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG Anwendung, nach der in allen "sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt", die Ausreisefrist einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens beträgt.

Im Falle des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens gem. § 14 a Abs. 3 AsylVfG kann dagegen insbesondere die Sonderregelung des § 38 Abs. 2 AsylVfG, die bei Rücknahme des Asylantrages eine Ausreisefrist von einer Woche vorsieht, nicht herangezogen werden. Der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG ist in dieser Vorschrift – wie etwa auch in § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG – gerade nicht erwähnt. Dem kommt besonderes Gewicht auch deshalb zu, weil der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen die Rücknahme des Asylantrages und den Verzicht nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG ausdrücklich gleich gestellt hat (§§ 32 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Trotz Kenntnis der hier zu beurteilenden Problematik ist zudem im Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I. S. 1970) eine Änderung des § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht erfolgt, obwohl gerade auch § 14 a AsylVfG modifiziert wurde (Art. 3 Nr. 10).

Durch eine einmonatige Ausreisefrist wird die Zielsetzung des § 14 a AsylVfG, der sukzessiven Asylantragstellung einzelner Familienmitglieder zur Verhinderung einer Aufenthaltsbeendigung vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2006 - 1 C 10.06 BVerwGE 127, 161 <Rn. 31>), auch nicht spürbar beeinträchtigt. Vielmehr ist aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen erkennbar, dass der Gesetzgeber denjenigen, dessen Asylantrag als nach § 14 a AsylVfG gestellt gilt, durch die Möglichkeit des Verzichts in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht (vgl. dazu auch § 10 Abs. 3 AufenthG) teilweise privilegieren wollte, um ihm einen gewissen Anreiz dafür zu bieten, ein vielfach von vornherein aussichtsloses Asylverfahren alsbald zu beenden.

Angesichts des Umstandes, dass danach eine auszufüllende Regelungslücke nicht besteht, ist auch eine entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG nicht geboten.

Diese Auffassung entspricht auch der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 11. August 2006 - 1 A 1437/06.A <juris, Rn. 71 ff.>; VG Göttingen, Beschluss vom 14. Dezember 2007 - 4 B 172/07 -; VG Münster, Urteil vom 2. November 2007 - 8 K 98/07.A <juris>; VG Osnabrück, Beschluss vom 28. Juni 2007 - 5 B 69/07 <juris>; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 18a L 545/07.A <juris>; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 1 L 777/07 <juris>; VG Kassel, Urteil vom 26. Januar 2007 - 4 E 1023/06.A <juris>; VG Schwerin, Urteil vom 8. Januar 2007 - 7 A 1113/06 As <juris>).

Der gegenteiligen eher vereinzelten Auffassung (vgl. etwa VG Stade, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 6 B 1261/07 -; VG Würzburg, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - W 7 S 06.30300 <juris>; VG Wiesbaden, Urteil vom 30. Juni 2005 - 1 E 714/05.A <juris>; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: Februar 2006, Rn. 8 zu § 38) vermag sich das Gericht aus den oben dargestellten Gründen nicht anzuschließen, zumal die erwähnten Entscheidungen substantiierte Begründungen vermissen lassen.