VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 09.01.2008 - AN 15 K 07.02994 - asyl.net: M12679
https://www.asyl.net/rsdb/M12679
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Lebensunterhalt, Vertretenmüssen, Familienangehörige, Zurechenbarkeit, Kindererziehung, Zumutbarkeit, Erwerbstätigkeit
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt der Kläger. Danach ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 AufenthG ist auf Antrag einzubürgern, wenn er, unter anderem, den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat. Derartige Leistungen nimmt der Kläger zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch in Anspruch. Bereinigt um das angerechnete Einkommen beläuft sich der auf den Kläger entfallende Betrag bis Dezember 2007 auf 350,96 EUR monatlich. Ein Bescheid für die Zeit ab Januar 2008 steht noch aus, weil die erforderlichen Unterlagen noch nicht alle vorgelegt wurden. Derzeit ist aber nicht erkennbar, dass der Kläger den Bezug von Leistungen nach dem SGB II neben seinem Erwerbseinkommen von 300 EUR monatlich im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG zu vertreten hätte, was zum Absehen von der Voraussetzung Satzes 1 Nr. 3 führt.

Mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG soll eine Zuwanderung in die Sozialsysteme verhindert werden. Eine Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und XII ist deshalb dann zu vertreten, wenn der Einbürgerungsbewerber durch ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für einen fortdauernden Leistungsbezug gesetzt hat. Ein Verschulden ist dabei nicht erforderlich (vgl. BayVGH Beschluss vom 12.8.2003 5C 03.1622 <juris>; ferner auch OVG Münster Urteil vom 1.7.1997 InfAuslR 1998, 34 zur inhaltlich entsprechenden früheren Regelung des § 86 Abs. 1 Nr. 3 AuslG). Maßgebend ist allein, ob der Einbürgerungsbewerber selbst den Leistungsbezug zu vertreten hat. Das Verhalten unterhaltsberechtigter Angehöriger wird ihm nicht einbürgerungshindernd zugerechnet. Bei der Frage, was zu vertreten ist, wird an sozialrechtliche Wertungen angeknüpft. Zu vertreten ist der Bezug der genannten Sozialleistungen typischerweise etwa bei einem Arbeitsplatzverlust wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten oder sonst erkennbarer Arbeitsunwilligkeit. Jedoch ist der Bezug dieser Sozialleistungen in der Regel dann nicht zu vertreten, wenn der Einbürgerungsbewerber nach Alter, Gesundheitszustand oder sozialer Stellung sozialrechtlich nicht erwerbsverpflichtet ist, also aus rechtlich anerkannten Gründen keine sozialrechtliche Erwerbsobliegenheit besteht (vgl. zu allem BayVGH a.a.O. sowie Beschluss vom 12.5.2004 - 5 ZB 03.3033 <juris> zu § 18 Abs. 3 Satz 2 des früheren Bundessozialhilfegesetzes, jetzt § 10 Abs. 1 SGB II und § 11 Abs. 4 SGB XII; ferner Berlit, Gemeinschaftskommentar zum StAG § 10 Rdn. 254). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes oder des Kindes seines Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und des heranziehbaren Maßstab des Sozialrechts hat der Kläger den Leistungsbezug nach dem SGB II nicht zu vertreten, so dass die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG vorliegt.

Zwar hat der Kläger im Oktober 2000 seinen Arbeitsplatz bei der ... mit einem Monatsverdienst von 3.200 DM verloren. Ob der Verlust der Sphäre des Klägers zuzurechnen ist oder nicht, wogegen die konkreten Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 3. Januar 2008 sprechen, was zwischen den Beteiligten jedoch streitig ist, ist nicht entscheidungserheblich. Denn spätestens mit der vollen Erwerbstätigkeit seiner Ehefrau, deren Verhalten staatsangehörigkeitsrechtlich dem Kläger nicht zugerechnet werden kann, als selbständige Zahnärztin ab 1. März 2007 ist ein Ursachenzusammenhang zwischen Verlust dieses Arbeitsplatzes und dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II unterbrochen. Dasselbe würde für mögliche sonstige, bis Ende Februar 2007 eingetretene Umstände gelten, falls diese vom Kläger zu vertreten gewesen und ursächlich für den Leistungsbezug gewesen wären. Denn eine Erziehung der beiden Töchter, die nicht in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege betreut werden, wäre bei zusätzlicher Arbeit des Klägers gefährdet.