VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2007 - 7 L 2073/07 - asyl.net: M12694
https://www.asyl.net/rsdb/M12694
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Visum nach Einreise, Aufenthaltserlaubnis, Antrag, Duldung, Duldungsfiktion, Deutschverheiratung, in Deutschland geborene Kinder, Erlaubnisfiktion, Analogie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthV § 39 Nr. 5; AufenthG § 27 Abs. 1; AufenthG § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 81 Abs. 3 S. 2; VwGO § 123
Auszüge:

Der sinngemäß gestellte Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Antragsteller vor einer Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 12. März 2007 und seinen am 10. Dezember gestellten Antrag auf Rücknahme der Ordnungsverfügung vom 20. April 2006 in der Fassung desWiderspruchsbescheides der Bezirksregierung ... vom 22. November 2006 abzuschieben, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Antragsteller hat aber glaubhaft gemacht, dass ihm bis zur Entscheidung über seinen Aufenthaltserlaubnisantrag die gegenwärtig bis zum 11. Februar 2008 gültige Duldung zu belassen bzw. zu verlängern ist. Das folgt daraus, dass er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Zusammenlebens mit einer (auch) deutschen Staatsangehörigen gestellt hat. Ein derartiger Antrag kann nach § 39 Nr. 5 AufenthV außerhalb des Sichtvermerksverfahrens im Bundesgebiet gestellt werden, wenn die Abschiebung des Ausländers nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Das ist hier der Fall. Damit waren die Voraussetzungen eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG dargetan. Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass diese Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist. Ob alle Voraussetzungen für die Erteilung tatsächlich vorlagen, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Ob die Aufenthaltserlaubnis, deren Einholung § 39 AufenthV vom Inland aus ermöglicht, einem Antragsteller tatsächlich zusteht, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (vgl. – für § 9 des früher einschlägigen § 9 DVAuslG – Beschlüsse der Kammer vom 6. Juni 2001, 7 L 2661/00, der bereits in diese Richtung weist, vom 29. August 2001, 7 L 2007/01 und vom 29. August 2001, 7 L 2007/01).

Ob eine Einschränkung dann zu machen ist, wenn einzelne Voraussetzungen eines Anspruchs offensichtlich nicht gegeben sind, kann offen bleiben, da das hier nicht der Fall ist.

War mithin die Antragstellung vom Inland aus zulässig, so muss das auch dazu führen, dass der Aufenthalt des Antragstellers bis zu einer ersten Entscheidung der Ausländerbehörde jedenfalls als geduldet gilt. Das folgt bereits aus Sinn und Zweck des § 39 Nr. 5 AufenthV. Es ist nicht sinnvoll, einerseits die Antragstellung im Inland ausdrücklich zu gestatten, andererseits den Aufenthalt vor einer Entscheidung über diesen Antrag zu beenden. Für diese Fallgruppe ist deshalb nach Auffassung des Gerichts § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entsprechend anzuwenden, da das Aufenthaltsgesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. In § 81 Absätze 3 und 4 AufenthG sind drei verschiedene Fallgruppen von Fiktionswirkung geregelt, nämlich die Aufenthaltserlaubnisfiktion bei erstmaliger Antragstellung aus dem ohne Aufenthaltstitel rechtmäßigen Aufenthalt (Abs. 3 Satz 1), das Fortbestehen eines vorhandenen (oder, in engen Grenzen, vorhanden gewesenen) Aufenthaltstitels (Abs. 4) oder schließlich die Fiktion der Aussetzung der Abschiebung, das heißt, vgl. § 60a AufenthG, Duldung, bei verspäteter Antragstellung aus nicht mehr rechtmäßigem Aufenthalt (Abs. 3 Satz 2). Der Fall des § 39 Nr. 5 AufenthV ist in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG nicht vorgesehen. Eine noch im Entwurf vorgesehen gewesene Fiktionsregelung für die Fälle des § 81 Abs. 2 AufenthG, zu denen der vorliegende zählt, ist nicht Gesetz geworden. Daraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass eine Fiktionswirkung nicht gegeben sein sollte. Offenbar angesichts des Umstandes, dass in § 39 AufenthV geregelte Fälle auch in § 81 Abs. 3 erfasst waren und in dem Bestreben, die Regelung des § 81 AufenthG möglichst überschaubar und einfach zu gestalten (vgl. dazu Gemeinschaftskommentar zum AufenthG (GK), Loseblattsammlung Stand, § 81 AufenthG Rdnr. 5) ist der Entwurf gekürzt worden. Diese Kürzung hat offenbar dazu geführt, dass eine Regelung des Aufenthalts der Fallgruppe des § 39 Nr. 5 AufenthV im Gesetz vergessen wurde. Dasselbe ist mit der in § 81 Abs. 2 Satz 2 angesprochenen Gruppe der im Bundesgebiet geborenen Kinder geschehen. Auch für diese ist mit § 81 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfs die aufenthaltsrechtliche Regelung für die Zeit bis längstens zum Ablauf der Antragsfrist entfallen. Für diese Gruppe ist in § 81 nur die Regelung der Antragsfrist für einen im Inland zu stellenden Aufenthaltserlaubnisantrag verblieben. Insoweit wird von einer verbreiteten Meinung (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 81 AufenthG Rdnr. 26; Benassi InfAuslR 2006, 178 (179); GK, § 81 AufenthG Rdnr. 14) die Auffassung vertreten, § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass der Aufenthalt im fraglichen Zeitraum als erlaubt gilt. Auch für die vorliegende, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Literatur noch nicht erörterte Personengruppe ist die durch die Streichung des § 81 Abs. 2 Satz 3 AufenthG entstandene Regelungslücke im Wege der Analogie zu schließen. Da es sich auch hier um eine Personengruppe handelt, die sich nicht im erlaubten Aufenthalt befindet, bietet sich insoweit die entsprechende Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG an, die den Fortbestand der Duldung vorsieht. Diese muss deshalb für den Antragsteller bis zur Entscheidung über seinen Aufenthaltserlaubnisantrag aufrecht erhalten bleiben. Die Fiktionswirkung entfällt nicht deshalb, weil der Zweck der ehelichen Lebensgemeinschaft, wenn er denn gegeben war, mit der Erklärung über das Getrenntleben, welche die Ehefrau des Antragstellers am 12. Dezember 2007 bei dem Bezirksamt I abgegeben hat, nicht mehr verwirklicht werden kann. Die Fiktionswirkung knüpft allein an die Tatsache der Antragstellung an und wird nicht durch die Entwicklung der Erfolgsaussichten dieses Antrags beeinflusst. Für die vom Antragsgegner zu treffende Entscheidung hingegen wird die Erklärung sehr wohl von Bedeutung sein. Der Antrag wird möglicherweise, ohne dass es auf die Frage der Scheinehe noch ankommt, abzulehnen sein.