VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 12.12.2007 - 10 K 31/07 - asyl.net: M12713
https://www.asyl.net/rsdb/M12713
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Syrien, Staatenlose, Kurden, Reiseausweis, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Bindungswirkung, Ausländerbehörde, abgelehnte Asylbewerber, Ablehnungsbescheid, Türkei, Staatsangehörigkeit, Staatsangehörigkeitsrecht, Beweislast
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; StlÜbk Art. 28; StlÜbk Art. 1 Abs. 1; StlÜbk Art. 1 Abs. 2
Auszüge:

Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Ausstellung von Reiseausweisen nach Art. 28 StlÜbk zu.

Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich ein solcher Anspruch nicht schon daraus, dass das Verwaltungsgericht des Saarlandes in dem im Asylverfahren der Kläger ergangenen Urteil vom 08.11.2001, 2 K 73/01.A, davon ausgegangen ist, dass die Kläger staatenlos seien. An diese Feststellungen ist der Beklagte nicht gebunden. Dies folgt schon daraus, dass die fraglichen Feststellungen nur eine Vorfrage für die Entscheidung betrafen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben, und demzufolge auch nicht in Rechtskraft erwachsen sind. Zudem scheitert eine Bindungswirkung auch daran, dass der Beklagte in diesem Asylverfahren nicht beteiligt war.

Ebenso wenig steht den Klägern der streitgegenständliche Anspruch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten zu.

Anspruchsgrundlage für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu dem von den Klägern verfolgten Aufenthaltszweck ist nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2005 allein § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze wären die Kläger, die gemäß § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig sind, an der Ausreise unverschuldet verhindert, wenn sie staatenlos wären und daher weder in ihrem ursprünglichen Herkunftsland Syrien noch in einem anderen Staat Aufnahme und Aufenthalt finden könnten. Hiervon kann indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden.

Allerdings spricht nach derzeitigem Erkenntnisstand vieles dafür, dass die Kläger nicht die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftsstaates Syrien besitzen. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien vom 26.02.2007 und 17.03.2006) gibt es neben einer Gruppe von Kurden, die im Jahre 1962 ausgebürgert wurden und in einem eigenen Personenstandsregister als Ausländer registriert sind, die Gruppe der sog. Makthumin (arabisch für "verborgen", "verdeckt"), zumeist staatenlose Kurden. Für den syrischen Staat existiert diese Gruppe nicht. Sie haben keinerlei Rechte, werden behördlich nicht erfasst und erhalten keinerlei staatliche Dokumente. Gegen ein geringes Entgelt können sie lediglich eine sog. weiße Identitätsbescheinigung des Mukhtars (Ortsvorstehers) erhalten; da diese Bescheinigungen bei entsprechender Bezahlung von vielen Ortsvorstehern jedoch bewusst inhaltlich falsch ausgestellt werden, kommt ihnen keinerlei Beweiswert zu. Die Makhtumin dürfen in der Regel die Grundschule besuchen, erhalten jedoch auch hier keine Abschlusszeugnisse; der Besuch weiterführender Schulen oder der Universität ist ihnen ebenso wenig möglich wie eine Berufsausbildung, die Ablegung einer Führerscheinprüfung oder die Registrierung von Eheschließungen oder Geburten. Kinder eines Vaters dieser Gruppe werden automatisch selbst zu Makhtumin, da in Syrien Staatsangehörigkeitsfragen allein vom Status des Vaters abgeleitet werden. So kann auch das Kind einer Syrerin oder einer offiziell registrierten Ausländerin diesem völlig rechtlosen Personenkreis angehören.

Vorliegend hält es die Kammer nach dem sich derzeit darstellenden Sachstand für sehr wahrscheinlich, dass die Kläger der Gruppe der Makhtumin angehören. Ebenso wenig vermag der Beklagte mit seinen Einwendungen durchzudringen, dass die Kläger bislang keine Dokumente über ihren Status in Syrien vorgelegt haben. Wenn nämlich die Kläger, wofür, wie dargelegt, nach derzeitigem Sachstand vieles spricht, Makhtumin sind und damit keine Papiere haben, nicht registriert und insgesamt aus syrischer Sicht rechtlich nicht existent sind, ist es ihnen schlechterdings nicht möglich, irgend welche syrischen Urkunden oder Dokumente über ihre Identität vorzulegen. Zu denken

wäre allenfalls daran, dass die Kläger eine Bescheinigung ihres Dorfvorstehers besorgen könnten. Da einem solchen Dokument aber, wie dargelegt, ohnehin kein Beweiswert zukommt, führte dies im Ergebnis nicht weiter. Insgesamt weisen die derzeitigen Erkenntnisse darauf hin, dass die Kläger in Syrien als Makhtumin behandelt wurden.

Die Kammer vermochte sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass die Kläger nicht die türkische Staatsangehörigkeit haben oder diese unter zumutbaren Mitwirkungshandlungen erlangen können. In diesem Fall wäre die Türkei auch verpflichtet, ihnen die Einreise und den Aufenthalt in diesem Land zu gewähren.

Da gemäß Art. 38 Satz 1 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11.02.1964 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, September 2003, Seite 16) der Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit keiner Form unterliegt, mithin auch zeugenbeweislich geführt werden kann, käme durchaus in Betracht, dass die Kläger von den türkischen Auslandsbehörden auch entsprechende Ausweispapiere ausgestellt bekommen. Nach Sachlage ist bislang nicht einmal ein entsprechender Versuch unternommen worden. Die nach alledem gegebene Nichterweislichkeit der Staatenlosigkeit der Kläger muss aber zu ihren Lasten als Anspruchsteller gehen. Damit liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vor.

Daraus folgt zugleich, dass die Kläger auch nicht die Ausstellung von Reiseausweisen nach dem Staatenlosenübereinkommen verlangen können.