VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.2008 - 18 K 5768/07.A - asyl.net: M12725
https://www.asyl.net/rsdb/M12725
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für tamilischen Volkszugehörigen wegen Gefahr der Verhaftung und Misshandlung infolge des Generalverdachts gegen Tamilen in Sri Lanka.

 

Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, LTTE, Sympathisanten, Verhaftung, Willkür, Situation bei Rückkehr, abgelehnte Asylbewerber, interne Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für tamilischen Volkszugehörigen wegen Gefahr der Verhaftung und Misshandlung infolge des Generalverdachts gegen Tamilen in Sri Lanka.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 AufenthG; der insoweit entgegenstehende Bescheid des Bundesamtes vom 1. Dezember 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen bei dem Kläger vor.

Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger vorverfolgt aus Sri Lanka ausgereist ist; denn nach der gegenwärtigen Lage ist davon auszugehen, dass ihm bei Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung droht, so dass es ihm nicht zuzumuten ist, nach Sri Lanka zurückzukehren.

Wie sich aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 13. März 2007 ergibt, hat sich die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Sri Lanka gegenüber dem ad-hoc-Lagebericht vom 31. Januar 2007 weiter verschärft. Tamilen stehen zunehmend im Generalverdacht der Sicherheitskräfte in Sri Lanka. Die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen betreffen jeden, der in den Augen der Sicherheitsorgane der Nähe zur LTTE verdächtigt ist. Es gibt willkürliche Verhaftungen. Auf Grund des seit August 2005 geltenden und Ende 2006 noch einmal erheblich verschärften Notstandsrechts ist eine richterliche Überprüfung solcher Festnahmen nicht gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit vielen Monaten Untersuchungshaft rechnen, bevor überhaupt entschieden ist, ob es zu einer Anklageerhebung kommt. Dabei hat die Verfolgung echter und vermeintlicher LTTE-Anhänger durch die Sicherheitsbehörden zu einer großen Anzahl gravierender Menschenrechtsverletzungen bis hin zur extralegalen Tötung geführt, die in allen Landesteilen begangen werden, sodass es innerhalb Sri Lankas keine sicheren Ausweichgebiete mehr gibt. Die Gefahr, von einer willkürlichen Verhaftung betroffen zu werden, trifft insbesondere auf rückgeführte, abgelehnte Asylbewerber zu. Diese sind daher derzeit vor einer Verfolgung nach ihrer Rückkehr nicht sicher.

Auf Grund dieses eindeutigen Berichts des Auswärtigen Amtes vom 13. März 2007 ist auch bei dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er allein auf Grund seiner Volkszugehörigkeit als Tamile bei Rückkehr in sein Heimatland mit einer Verhaftung und den vom Auswärtigen Amt beschriebenen menschenrechtswidrigen Behandlungen rechnen muss, weil er nicht individuell, sondern generell als Tamile der Nähe zur LTTE verdächtigt werden wird.