OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2008 - 18 B 210/08 - asyl.net: M12862
https://www.asyl.net/rsdb/M12862
Leitsatz:

Für die Befristung der Wirkung der Ausweisung ist gem. § 4 Abs. 1 OBG NRW nicht die Ausländerbehörde örtlich zuständig, die die Ausweisung erlassen hat, sondern die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer einreisen möchte, es sei denn, der Ausländer beabsichtigt nicht, wiedereinzureisen.

 

Schlagwörter: D (A), Wirkungen der Ausweisung, Befristung, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Betretenserlaubnis, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3; AufenthG § 11 Abs. 2; OBG NRW § 4 Abs. 1
Auszüge:

Für die Befristung der Wirkung der Ausweisung ist gem. § 4 Abs. 1 OBG NRW nicht die Ausländerbehörde örtlich zuständig, die die Ausweisung erlassen hat, sondern die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer einreisen möchte, es sei denn, der Ausländer beabsichtigt nicht, wiedereinzureisen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Antragsteller haben ungeachtet der übrigen Anordnungsvoraussetzungen jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Ausgehend von ihrem Vorbringen, mit dem sie eine Adresse in X. (Kreis T. ) angeben, unter der der Antragsteller zu 2. sich seinen Angaben zufolge bei seiner deutschen Ehefrau, der Antragstellerin zu 1., künftig aufhalten will, ist weder für den Hauptantrag, der auf die Befristung der Wirkungen der vom Antragsgegner verfügten Ausweisung des Antragstellers zu 2. gerichtet ist (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG), noch für Erteilung einer Betretenserlaubnis an diesen (§ 11 Abs. 2 AufenthG) die örtliche Zuständigkeit und damit die Passivlegitimation des Antragsgegners gegeben.

Das Aufenthaltsgesetz enthält keine Regelungen über die örtliche Behördenzuständigkeit. Diese richtet sich vielmehr nach dem Verfahrensrecht der Länder, die die Bundesgesetze gemäß Art. 83 GG als eigene Angelegenheiten ausführen. Maßgeblich ist in Nordrhein-Westfalen § 4 Abs. 1 OBG NRW, weil das nordrhein-westfälische Landesrecht voraussetzt, dass das Ausländerrecht de lege lata dem Recht der Gefahrenabwehr zugehört (vgl. insbesondere § 9 Abs. 3 OBG NW sowie § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen vom 15. Februar 2005, GV NW S. 50) (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Juli 1997 - 18 B 1853/96 -, NVwZ-RR 1998, 201, 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -, InfAuslR 2006, 64, 30. Januar 2007 - 18 B 2724/06 - und vom 19. November 2007 - 18 E 124/07 -).

Gemäß § 4 Abs. 1 OBG NW ist diejenige Ausländerbehörde örtlich zuständig, "in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden". Dies ist dort der Fall, wo sich der Ausländer, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen können, aufhält bzw. aufhalten will oder möglicherweise auch dort, wo er sich aufhalten soll. Denn dort droht bei der hier nur in Betracht kommenden prognostischer Betrachtung die Gefahr der Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen.

Danach ist für das Antragsbegehren, soweit es im Hauptantrag auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtet ist, nicht der Antragsgegner sondern der Kreis T. örtlich zuständig. Bei einer erneuten Einreise des Antragstellers wäre davon auszugehen, dass er sich sogleich in den Kreis T. begeben wird, weil dort in der kreiszugehörigen Gemeinde X. seine deutsche Ehefrau lebt, zu der er sich im Wege des Familiennachzugs begeben möchte.

Dagegen fehlt eine Anknüpfungsmöglichkeit für die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners. Jener ist unter den hier gegebenen Umständen nicht darin zu finden, dass dieser die Ausweisungsverfügung erlassen hat, deren Wirkungen nunmehr befristet werden sollen. Grundlegend ist insofern, dass es sich bei der Befristungsentscheidung um eine weitere, gegenüber der Ausweisungsverfügung selbständige Regelung handelt, und deshalb - wie bei allen ausländerrechtlichen Entscheidungen - zwischenzeitliche Änderungen, die die örtliche Zuständigkeit betreffen, zu berücksichtigen sind. Sofern es für derartige Änderungen keine Anhaltspunkte gibt, verbleibt es bei der bisherigen Zuständigkeit. Dementsprechend ist die ausweisende Ausländerbehörde für die Befristungsentscheidung nur zuständig, wenn ein Ausländer das hierauf gerichtete Verfahren ohne konkrete Rückkehrabsicht vom Ausland aus betreibt, was hier - wie ausgeführt - nicht der Fall ist, oder er sich in ihrem Bereich aufhält (vgl. hierzu Hess. VGH, Urteil vom 28. Oktober 1996 - 12 UE 628/96 -, EZAR 601 Nr. 5; VG Oldenburg, Beschluss vom 15. November 2005 - 11 A 1421/05 -, Juris).

Soweit auf eine Anfrage des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein das Bundesministeriums des Inneren mit Schreiben vom 17. September 2007 - A7 M I 3 - 125 181 - 110 - , das nachrichtlich an alle übrigen Innenministerien/Senatsverwaltungen für Inneres der Bundesländer gesandt worden ist, die Auffassung vertreten hat, dass für die Befristungsentscheidung grundsätzlich die Ausländerbehörde zuständig ist, die die zur Wiedereinreisesperre führende Maßnahme getroffen hat, und dies zumindest dann gelten soll, wenn der ausgereiste Ausländer vom Ausland her seine Wiedereinreise plant, werden die gesetzlichen Vorgaben zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit jedenfalls für den Fall verkannt, dass zwingende Zuständigkeitsregelungen des Inhalts wie in Nordrhein-Westfalen bestehen.

Die aufgezeigte Zuständigkeitsverteilung verstößt nicht deshalb gegen Grundprinzipien des Aufenthaltsgesetzes, weil die Zuständigkeiten einerseits für die Ausweisungsentscheidung und andererseits für die Befristungsentscheidung auseinander fallen können. In § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird sogar ein derartiges Auseinanderfallen vorausgesetzt, wenn unter anderem bestimmt wird, dass Befristungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden dürfen, die die Maßnahme angeordnet hat.

Soweit die Antragsteller mit ihrem Hilfsantrag eine Betretenserlaubnis für den Antragsteller zu 2. nach § 11 Abs. 2 AufenthG begehren, ist in Anwendung der oben aufgezeigten Grundsätze ebenfalls nicht die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners, sondern diejenige des Kreises T. gegeben (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. Mai 1998 - 18 B 510/98 -).