SG Aachen

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Zitieren als:
SG Aachen, Urteil vom 26.02.2008 - S 20 AY 22/07 - asyl.net: M12873
https://www.asyl.net/rsdb/M12873
Leitsatz:

Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zählen nicht bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Rücknahme, Verwaltungsakt, Anwendbarkeit, 48-Monats-Frist, Kinder- und Jugendhilfe
Normen: SGB X § 44; AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zählen nicht bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Beklagte hat zurecht sowohl den Antrag auf (höhere) Leistungen nach § 2 AsylbLG ab Oktober 2007 als auch die Rücknahme der bestandskräftigen Leistungsbescheide für die Monate Januar bis September 2007 abgelehnt.

Allerdings war entgegen der Auffassung des Beklagten eine Überprüfung und - soweit die Voraussetzungen erfüllt gewesen wären - Abänderung der bestandskräftigen Bescheide für die Leistungszeiträume seit Januar 2007 grundsätzlich möglich und zulässig gewesen. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 44 SGB X ergibt sich ausdrücklich aus § 9 Abs. 3 AsylbLG.

Der Kläger hat zwar die Dauer seines Aufenthalts in Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Jedoch erfüllt er für keinen der hier streitbefangenen Leistungsmonate die jeweils maßgebliche 36- oder 48-Monate-Frist des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG.

In diesem Sinne hat es die Kammer zur Erfüllung der 36- bzw. 48-Monate-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG genügen lassen, dass ein Leistungsberechtigter auch unmittelbare oder entsprechende Leistungen nach den Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. dem SGB XII bezogen hat (Urteil vom 19.06.2007 - S 20 AY 4/07 - und vom 23.10.2007 - S 20 AY 19/06) oder dass ein Leistungsberechtigter Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG hatte und diese Leistungen erhalten oder nur wegen zu berücksichtigtem Einkommen oder Vermögen nicht bezogen hat (Urteil vom 26.02.2008 - S 20 AY 1/08). Diese erweiternde Auslegung des § 2 AsylbLG findet ihre Grenze jedoch dort, wo die 36-/48-Monate-Frist durch bloßen Zeitablauf nach Beginn des Aufenthalts in Deutschland erfüllt wird, ohne dass (zumindest) Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG oder höherwertige, Existenz sichernde Leistungen auf Hilfe zum Lebensunterhalt bestanden hat. Wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Leistungen analog dem SGB XII an einen vorherigen Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG knüpft, muss es sich hierbei nach Auffassung der Kammer jedenfalls um vergleichbare Leistungen handeln, also solche, die Existenz sichernde Funktion haben und der Grundsicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind. Solche Leistungen hat der Kläger bis Dezember 2006 nicht erhalten. Die von ihm bezogenen Sozialleistungen sind weder solche unmittelbar nach § 3 AsylbLG noch höherwertigere Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG oder dem SGB XII gewesen. Vielmehr hat er bis Dezember 2006 ausschließlich Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII erhalten. Bei den Leistungen nach §§ 34, 41, 42 SGB VIII handelt es sich um solche, die das Jugendamt einem Kind oder einem Jugendlichen im Rahmen seiner Inobhutnahme gewährt, im Fall des Klägers konkret die Unterbringung in geeigneten Einrichtungen oder in einer sonstigen Wohnform. Im Rahmen dieser Kinder- und Jugendhilfe werden neben der Sicherstellung des notwendigen Unterhalts und der Krankenhilfe auch Leistungen zur Erziehung, zur Persönlichkeitsentwicklung und zur eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind deshalb auch nicht annähernd den Leistungen nach § 3 AsylbLG vergleichbar. Ihr Bezug vermag daher nicht die Frist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu erfüllen.