VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2008 - 2 K 1149/07.A - asyl.net: M12883
https://www.asyl.net/rsdb/M12883
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für iranischen Unterstützer der Hekmatisten.

 

Schlagwörter: Iran, Regimegegner, Hekmatisten, Arbeiterkommunistische Partei Iran, WPI, Mitglieder, Unterstützung, Flugblätter, Glaubwürdigkeit, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für iranischen Unterstützer der Hekmatisten.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage im übrigen hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Soweit der angegriffene Bescheid des Bundesamtes die negativen Feststellungen zu § 60 Abs. 1 AufenthG trifft und den Kläger zur Ausreise auffordert, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO. Dieser hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG) einen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegt.

Das Gericht legt hierbei die Ereignisse bis zur Ausreise zu Grunde, welche der Kläger beim Bundesamt und vor allem in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll, umfänglich, widerspruchsfrei und unter Nennung zahlreicher Einzelheiten dargelegt hat.

Müssen nach alledem die Schilderungen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal als glaubhaft angesehen werden, kann im Falle seiner Rückkehr in den Iran eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen, die von Inhaftierung über Folter bis hin zur Hinrichtung gehen können, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Nach der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnislage über die Verhältnisse im Heimatland des Klägers, deren Quellen in das Verfahren eingeführt worden sind (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10. Dezember 2001 und 15. Juli 2002, vom 21. September 2006, S. 14, zuletzt Lagebericht vom 4. Juli 2007, Seiten 12 und 16; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Iran - Online-Loseblattwerk, 14. Asylverfahren, April 2004, Seite 23; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Iran - Reformen und Repression, 20. Januar 2004, Seite 11), werden im Iran nach wie vor wirkliche oder vermeintliche Regimegegner unnachsichtig und unter Missachtung der Menschenrechte verfolgt. Schon die Mitgliedschaft in offiziell verbotenen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen führen. Zu diesen verbotenen Gruppen zählen vor allem links orientierte Gruppen. Für Mitglieder von Organisationen, die bewaffnet gegen den Staat kämpfen oder von denen das Regime dies vermutet (oder behauptet), bestand und besteht auch derzeit ein hohes Risiko asylrechtlich relevanter Strafverfolgung und -vollstreckung. Eine nach außen wirksame aktive politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird mit strafrechtlichen Maßnahmen strikt verfolgt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. September 2006, a.a.O., S. 14).

Die Hekmatisten, denen der Kläger mittlerweile auch als formelles Mitglied angehört und für die er schon im Iran tätig war, sind eine solche Organisation. Sie gehen zurück auf Mansoor Hekmat, der als Kommunist an der Islamischen Revolution von 1979 teilnahm, jedoch die Treue zum Islamismus und dem Obersten Rechtsgelehrten Chomeini ablehnte ("Mythos einer nationalen Bourgeoisie"). Er musste daher ins iranische Kurdistan fliehen. Seine Union marxistischer Kämpfer schloss sich mit der kurdischen Gruppe Komalah zusammen, die maoistische Wurzeln hatte. Zusammen bildeten sie die Kommunistische Partei Irans. 1991 verließ Hekmat diese Partei und gründete die Arbeiterkommunistische Partei Irans (WPI). Berührt vom Völkermord in Ruanda und den Jugoslawienkriegen galt er als Vertreter humanistischer Versionen (vgl. die Internetenzyklopädie "Wikipedia" zum Stichwort "Mansoor Hekmat", www.de.wikipedia.org, ins Verfahren eingeführt).

Auf einer Konferenz im August 2004 vertrat die WPI - Hekmatist unter anderem als sofortiges und unmittelbares Ziel der Partei die politische Machtübernahme. Erste Voraussetzung dafür sei der Sturz der islamischen Regierung (vgl. Homepage der Hekmatisten www.hekmatist.com/deutsch, ins Verfahren eingeführt).

Der Kläger hat sich durch das Verschaffen von Materialien sowie durch das Vervielfältigen und Verteilen von Flugblättern mit dem Gedankengut der Hekmatisten in diesem Sinne politisch betätigt und sich damit politischer Verfolgung ausgesetzt. Das zeigen nicht zuletzt auch die Versuche der iranischen Behörden, seiner habhaft zu werden.