FG Düsseldorf

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Zitieren als:
FG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.2008 - 10 K 5110/06 Kg - asyl.net: M12884
https://www.asyl.net/rsdb/M12884
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Rückwirkung, Übergangsregelung, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz
Normen: EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 52 Abs. 61a S. 2; AufenthG § 25 Abs. 3
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat nämlich bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 23.11.2006 keinen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld für ihre Kinder gehabt.

Der Gesetzgeber hat nämlich auf diese Entscheidung reagiert und die für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts maßgebliche Bestimmung des § 62 EStG geändert. Da die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auch für alle Zeiträume anzuwenden ist, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 2006), sind etwaige Ansprüche der Klägerin auf Kindergeld auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2006 nicht mehr nach § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 bzw. der geänderten Fassung aufgrund des Zuwanderungsgesetzes, sondern nach § 62 Abs. 2 EStG in der neuen Fassung zu beurteilen.

Aus dieser Neufassung des Gesetzes lässt sich für die Klägerin jedoch kein Anspruch auf die Bewilligung von Kindergeld ableiten.

Zwar hat die Klägerin im September 2005 eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 25 Abs. 3 AufenthaltG erhalten, dieser Sachverhalt kann einen Anspruch auf Kindergeld aber nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG begründen (vergl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2007 - 10 K 3095/06 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte <EFG> 2007, 607).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.

Zwar hält sich die Klägerin schon mehr als drei Jahre "rechtmäßig" im Bundesgebiet auf (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG), es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG. Die Klägerin ist nämlich schon nach eigenem Vortrag bisher nicht erwerbstätig gewesen. Eine Elternzeit hat sie ebenfalls nicht in Anspruch genommen und sie hat auch keine laufenden Geldleistungen nach dem SGB III erhalten.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung vertritt, dass ihr dennoch ein Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld zustehe, weil auch die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG verfassungswidrig sei, folgt das Gericht ihrer Argumentation nicht.

Zwar knüpft die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG in der neuen Fassung auch noch an die verschiedenen Aufenthaltstitel an, das Regelungssystem zeigt aber, dass der Gesetzgeber hierbei eine Reihe von Umständen herangezogen hat, die unter Berücksichtigung sachgerechter Gesichtspunkte eine hinreichend verlässliche Prognose für einen nur vorübergehenden oder dauerhaften Aufenthalt im Inland ermöglichen. Erster Anhaltspunkt ist hierbei der Umstand, dass sich ein Ausländer erkennbar nur zum Zweck einer kurzfristigen Erwerbstätigkeit im Inland aufhält. Diese Ausländer hat der Gesetzgeber nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstaben a und b EStG).

Auf der anderen Seite hat er Ausländern, die sich bereits seit längerer Zeit in einer "gesicherten Rechtsposition" im Inland aufhalten und deshalb eine Niederlassungserlaubnis erhalten haben, einen Anspruch auf Kindergeld zuerkannt.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine entsprechende Regelung für die Fallgruppe des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG nicht zu schaffen, ist darauf zurückzuführen, dass die dort genannten Aufenthaltstitel einen vorläufigen Charakter haben. In den genannten Fällen handelt es sich nämlich regelmäßig um Ausländer, die vor Erhalt der Aufenthaltserlaubnis zur Ausreise verpflichtet waren, und es erscheint nicht gerechtfertigt, eine Prognose über den weiteren Aufenthalt in Deutschland allein darauf zu stützen, dass sie dieser Verpflichtung aus eigenem Entschluss nicht gefolgt sind. Vielmehr ist es angezeigt, über die Feststellung weiterer objektiv erkennbarer Indizien zur Verfestigung des Aufenthalts im Inland die Grundlage für eine verlässliche Prognose zu verbreitern. Dies wiederum hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise getan, denn er hat die weiteren Voraussetzungen für eine Bewilligung von Kindergeld sachgerecht ausgewählt. So ist auch hier der von der Klägerin hervorgehobene zeitliche Anknüpfungspunkt im Gesetz enthalten (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG). Der weitere Gesichtspunkt eines "rechtmäßigen" Verhaltens erscheint dem Gericht ebenfalls plausibel, denn derjenige, der die Rechtsordnung des Gastlandes beachtet, bietet am ehesten die Gewähr, dass er sich ohne Probleme integrieren wird.

Gleiches gilt für die vom Gesetz geforderte Erwerbstätigkeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG), denn auch diese fördert die Integration. Zwar trägt die Klägerin zutreffend vor, dass die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG nicht dazu dient, die Integration von Ausländern zu fördern, sie kann aber als bedeutsamer Anhaltspunkt für die auch von der Klägerin geforderte Prognose dienen, ob ein Ausländer vermutlich auf Dauer in Deutschland bleiben wird.

Dagegen spricht nicht die Tatsache, dass der Gesetzgeber auch Zeiten ohne eine Erwerbstätigkeit (Bezug von Arbeitslosengeld, Elternzeit) berücksichtigt hat. Das Arbeitslosengeld ist gleichsam die (vorübergehende) Folge einer nichtselbständigen Tätigkeit und während der Elternzeit wird gerade auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich der Betreuung eines Kindes widmen zu können.